Lyonesse 3 - Madouc
Sollace wünscht, daß du dich sofort bei ihr einfindest. Ich muß dich warnen: sie ist nicht erfreut über dein launisches Betragen, das an krasse Auflehnung grenzt.«
»Die Königin muß ihre Kritik aufschieben oder, besser noch, ganz beiseite tun«, erwiderte Madouc. »Ich frühstücke gerade mit König Audry und Prinz Jaswyn; es wäre ein Akt unaussprechlicher Unhöflichkeit, wenn ich jetzt aufspränge und die Tafel verließe. Überdies, Cassander, lassen deine eigenen Manieren sehr zu wünschen übrig. An erster Stelle ...«
Cassander, der König Audrys Vergnügen bemerkte, wurde wütend. »Genug; vielmehr, mehr als genug! Was Manieren betrifft, so bist du es, nicht ich, die nach Haidion zurückgeschickt werden wird, noch ehe diese Stunde um ist.«
»Unmöglich!« sagte Madouc. »König Audry besteht darauf, daß ich bei dem Kolloquium zugegen bin, um meiner Bildung willen! Ich wage es nicht, ihm ungehorsam zu sein!«
»Natürlich nicht«, sagte König Audry mit freundlicher Stimme. »Kommt schon, Prinz Cassander, ich bitte Euch, seid mild und nachsichtig! Die Welt geht wegen Madoucs Frohnatur schon nicht unter. Laßt sie sich doch ohne Tadel ergötzen.«
Cassander verbeugte sich mit einer Miene kalter Höflichkeit. »Es soll sein, wie Eure Majestät wünscht.« Cassander und Sir Camrols entfernten sich und bedienten sich vom Buffet.
Eine halbe Stunde verging. Sir Tramador, der Oberhofmeister auf Falu Ffail, trat an den Tisch und sprach leise mit König Audry, der sich seufzend erhob. »Wahrhaftig, der Morgensalon ist mir weit lieber als der Heldensaal, und desgleichen ziehe ich das Buffet der Cairbra an Meadhan vor!«
Madouc schlug vor: »Warum das Kolloquium dann nicht hier anstatt dort abhalten? Dann könnten doch die, die die Reden langweilig finden, sich zur Zerstreuung an einer Fettammer gütlich tun.«
»Der Gedanke ist grundsätzlich nicht schlecht«, sagte König Audry. »Indessen, der Plan ist fest gefügt und kann nicht mehr umgeworfen werden, ohne daß höchste Verwirrung entstünde. Prinz Dhrun, kommt Ihr?«
»Ich bin bereit, Eure Majestät.«
Im Gang wartete Dhrun auf Madouc. »Ich bin zu einer wichtigen Person geworden – zumindest so lange, bis mein Vater eintrifft. Es kann sein, daß ich ersucht werde, vor der Versammlung zu sprechen. Natürlich wird niemand zuhören, was freilich nicht weiter schlimm ist, da ich ohnehin nichts zu sagen habe.«
»Es ist ganz einfach. Du mußt jedem eine lange Regierungszeit wünschen und hoffen, daß die Goten woanders einfallen.«
»Das sollte genügen. Außerdem ist es möglich, daß mein Vater eintreffen wird, bevor ich zum Reden aufgefordert werde, woraufhin ich meinen Platz am Tisch dankbar räumen werde.«
Madouc blieb jäh stehen. Dhrun sah sie erstaunt an. »Was beunruhigt dich jetzt?«
»Gestern abend, so sagtest du mir, hast du am Runden Tisch gesessen.«
»Ganz recht.«
»Aber aller Wahrscheinlichkeit nach hast du nicht an dem Platz gesessen, der heute dein ›rechtmäßiger‹ sein wird! Die Weissagung ist noch nicht erfüllt! Ich werde dafür sorgen, daß Casmir dessen gewahr wird!«
Dhrun überlegte einen Moment lang. »Es ändert nicht viel, da ich mich ja jetzt anschicke, diesen ›rechtmäßigen Platz‹ einzunehmen.«
»Aber das darfst du nicht! Dein Leben ist in Gefahr.«
Dhrun sprach mit hohler Stimme: »Ich kann dies schlechterdings nicht ablehnen.«
König Audry blickte über die Schulter. »Kommt schon, ihr zwei! Es ist keine Zeit mehr für Geheimnisse. Das Kolloquium fängt gleich an.«
»Ja, Eure Hoheit«, sagte Dhrun. Madouc schwieg.
Die zwei betraten den Heldensaal, der jetzt illuminiert war von vier Eisenkandelabern, welche an eisernen Ketten über dem Runden Tisch hingen. An jedem Platz lag eine silberne Platte über der alten, in das Holz des Tisches eingelassenen Bronzetafel.
Ringsherum an der Wand der Halle standen die Könige und Königinnen der Älteren Inseln, eine beträchtliche Zahl von Prinzen und Prinzessinnen und hochrangige Edelleute. König Audry bestieg das niedrige Podest, auf dem der Thron Evandig ruhte. Er sprach zu der Versammlung:
»Endlich sind wir hier, in voller Stärke, die Monarchen der gesamten Älteren Inseln! Wir sind vielleicht aus vielen Gründen gekommen, auf daß wir unsere teuersten Hoffnungen und Sehnsüchte darlegen können; auch damit jeder den anderen die Früchte seiner besonderen Weisheit darbieten kann. Es ist wahrlich ein bemerkenswertes Ereignis, eines, an das die
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