Lyonesse 3 - Madouc
Geschichtskundler noch lange erinnern werden. Denkt nach, jeder einzelne von euch! Es ist viele Jahre her, seit unser Land zum letzten Mal eine so volle Versammlung erlebt hat. Jedes Königreich ist vertreten, mit Ausnahme von Skaghane, wo das Volk sich noch immer von jedem Kontakt fernhält. Ferner weise ich darauf hin, daß König Aillas noch nicht zugegen ist; aber Prinz Dhrun wird mit der Stimme Troicinets sprechen, bis sein Vater bei uns eintrifft.
Was das Zustandekommen dieses Kolloquiums betrifft, so müssen wir die Initiative und die Tatkraft von König Casmir lobend anerkennen. Er war es, der das Konzept vorlegte, der die Notwendigkeit für umfassende und unbeschwerte Kontakte zwischen den Herrschern der einzelnen Staaten verfocht. Ich stimme ihm in jeder Hinsicht zu. Die Zeit ist reif für freimütige Diskussionen, in denen wir ohne Zögern unsere Meinungsverschiedenheiten darlegen und jeder, wenn nötig, die Kompromisse schließt und die Angleichungen vornimmt, die Redlichkeit und Gerechtigkeit gebieten.
Nun, da dies gesagt ist – und da noch so vieles zu sagen ist –, lasset uns denn an der Cairbra an Meadhan Platz nehmen. Herolde werden jeden zu seinem Platz führen, der gekennzeichnet ist durch eine silberne Tafel, in die sein Name eingeprägt ist. Alle andern werden auf den Polsterbänken an der Wand Platz nehmen.«
König Audry stieg vom Podest herab und trat zum Runden Tisch; die anderen Monarchen und ihre Ratgeber folgten seinem Beispiel. Herolde in grauer und grüner Livree geleiteten die Würdenträger zu ihren Plätzen. Einer der Herolde kam zu Dhrun, ihn zu seinem Platz zu führen, aber er konnte die silberne Tafel mit seinem Namen nicht finden. Er umrundete den Tisch und las die Namen, doch der von Dhrun war nicht darunter.
An einem Platz fehlte die silberne Tafel, und nur die alte, in das schwarze Holz eingelassene Bronzetafel war da. Der Herold hielt an diesem Platz inne, an dem keiner saß, las die Inschrift auf der Bronzetafel, beugte sich ungläubig vor und las sie ein zweites Mal. Darauf begab er sich zu König Audry und führte ihn zu dem leeren Platz.
König Audry las die Inschrift, stutzte, las sie noch einmal. Inzwischen hatte sich die Aufmerksamkeit aller im Saal Anwesenden auf ihn geheftet. Langsam richtete er sich auf und sprach zu der Versammlung: »Meine Herren und Damen, die Cairbra an Meadhan ist durchdrungen von Magie, und einmal mehr war sie am Werk. An diesem Platz ist keine silberne Tafel mehr; sie ist verschwunden. Die Inschrift auf der Bronzetafel, die seit Jahrhunderten diesen Platz gekennzeichnet hat, lautet nunmehr: ›HIER IST DER PLATZ VON DHRUN, WO ER BEI ZEITEN SITZEN WIRD‹.«
Totenstille legte sich über den Saal. König Audry fuhr fort: »Ich vermag die Bedeutung dieser Magie nicht zu erahnen noch den exakten Sinn der Worte. Eines jedoch ist klar: Der Tisch erkennt die Gegenwart von Prinz Dhrun an und weist ihm seinen rechtmäßigen Platz zu. Prinz Dhrun, Ihr könnt Euch setzen!«
Dhrun trat mit zögernden Schritten vor. Hinter dem Stuhl blieb er stehen und sagte zu König Audry: »Majestät, heute ziehe ich es vor, mich nicht zu setzen! Ich werde stehen, wenn es recht ist.«
König Audry sprach entrüstet: »Ihr müßt sitzen! Wir alle warten darauf, daß Ihr Euren rechtmäßigen Platz einnehmt.«
»Majestät, ich bin nicht gewillt, zum jetzigen Zeitpunkt an Euren erlauchten Beratungen teilzunehmen. Es ist angebrachter, daß ich bis zur Ankunft meines Vaters stehe.«
König Casmir sprach mit einer Stimme, die trotz seiner Bemühungen, ihr einen ruhigen und gelassenen Klang zu verleihen, vor Härte schnarrte: »Kommt! Laßt uns nicht noch mehr Zeit vergeuden! Setzt Euch, Prinz Dhrun! Das erwarten wir von Euch!«
»Ganz recht«, sagte König Audry. »Wir mögen nicht beraten, während wir auf einen leeren Platz starren. Ihr müßt Euch setzen.«
Madouc konnte sich nicht mehr beherrschen. Sie rief: »Dhrun, nimm nicht Platz! Heute will ich an deiner Statt sitzen und deine Bevollmächtigte sein!« Sie stürmte zum Tisch und schlüpfte auf den Platz, den die Bronzetafel als den Dhruns auswies.
Dhrun stand dicht hinter dem Stuhl. Er sprach zu König Audry: »Eure Majestät, so soll es sein, nach meiner Wahl! Heute soll Prinzessin Madouc meine Stellvertreterin sein und auf meinem Platz sitzen und, so erforderlich, mit meiner Stimme sprechen. Den Formalitäten ist damit Genüge getan, und das Kolloquium kann wie geplant beginnen.«
König Audry erhob
Weitere Kostenlose Bücher