Lyonesse 3 - Madouc
Melancthe verblüfft an. »Das ist verhängnisvolle Tollheit! Selbst ich fürchte Murgen; er ist der Höchste!«
»Gegenwärtig nicht! Ein Weg hat sich eröffnet, und ein anderer ist der Höchste! Aber die Zeit spielt eine entscheidende Rolle! Wir müssen handeln, bevor der Weg sich wieder schließt! Also komm, solange die Macht unser ist! Oder willst du dein Leben lieber weiter auf diesem windigen Moor fristen?«
Torqual machte auf dem Absatz kehrt. Er sattelte die Pferde, und die zwei verließen die Fünf Söhne des Arra Kaw. So schnell die Pferde sie trugen, ritten sie über das Moor, den dahineilenden Wolkenschatten folgend. Schließlich stießen sie auf einen Pfad und folgten ihm nach Osten den Berghang hinunter. Er schlängelte sich in scharfen Serpentinen talwärts, hin und her, zwischen Halden von Geröll hindurch, über abschüssige Hänge und durch enge Schluchten, und mündete schließlich auf der Kuppe eines hohen Felsenkliffs über Swer Smod. Hier saßen sie ab und kletterten zu Fuß den Hang hinunter. Nach gehöriger Frist erreichten sie die Außenmauern der Burg, in deren Schatten sie stehenblieben.
Melancthe nahm den ledernen Helm vom Kopf und umhüllte damit die Spitze der Hellebarde. Dann sprach sie mit einer Stimme, die so rauh klang, als rieben zwei Mühlsteine aufeinander: »Nimm das Beilding. Ich kann es nicht weitertragen. Hüte dich davor, die Schneide zu berühren; sie würde dir sofort alle Lebenskraft aussaugen.«
Torqual faßte die hellebardenartige Waffe vorsichtig bei ihrem hölzernen Griff. »Was soll ich damit anfangen?«
»Ich werde dich instruieren. Lausch auf meine Stimme, aber dreh dich von nun an nicht mehr um, ganz gleich, was auch geschieht. Geh jetzt zum Hauptportal! Ich werde nachkommen. Schau nicht zurück!«
Torqual zog ein finsteres Gesicht; das Unternehmen schmeckte ihm immer weniger. Widerstrebend machte er sich auf den Weg zum Portal. Hinter sichhörte er ein leises Geräusch: ein Seufzen, ein Ächzen, wie wenn jemand scharf Luft holte, dann Melancthes Schritte.
Vor dem Tor blieb Torqual stehen, um den Vorhof zu überschauen. Vus und Vuwas, die beiden Teufel, die die Hintertür bewachten, vertrieben sich gerade die Zeit mit einem Spiel, das sie jüngst neu ersonnen hatten. Sie hatten eine Anzahl von Katzen dazu abgerichtet, die Funktion von Schlachtrössern auszufüllen. Die Katzen waren mit farbenprächtigen Schabracken, kunstvoll gearbeiteten Sätteln und noblen Emblemen ausstaffiert; ihre Reiter waren Ratten, gleichermaßen wohl ausgebildet und mit schimmerndem Stechzeug und schmucken, von Federbäuschen gekrönten Helmen auf das edelste gerüstet. Ihre Bewaffnung bestand aus hölzernen Schwertern und abgepolsterten Turnierlanzen. Unter den gebannten Blicken und erregten Anfeuerungsrufen der Teufel, die zuvor ihre Wetteinsätze gemacht hatten, spornten die Rattenritter ihre Streitkatzen an und sprengten in wilden Sprüngen die Schranken entlang mit dem Ziel, einander aus dem Sattel zu stoßen.
Melancthe trat durch das Portal. Als Torqual sich anschickte, ihr zu folgen, sagte plötzlich eine Stimme hinter ihm: »Geh ruhig und leise; die Greife sind in ihr Spiel vertieft; wir werden versuchen, unbemerkt an ihnen vorbeizuschlüpfen.«
Torqual blieb jählings stehen. Die Stimme befahl streng: »Schau dich nicht um! Melancthe wird tun, was notwendig ist; so rechtfertigt sie ihr Leben.« Torqual sah, daß Melancthe jetzt wieder wie früher war: die schwermütige Maid, die er in der weißen Villa am Meeresstrand kennengelernt hatte.
Die Stimme sagte: »Geh nun, und leise! Sie werden keine Notiz nehmen.«
Torqual folgte Melancthe; unbemerkt gingen sie an der Seite des Hofes entlang. Doch ehe sie das hohe schwarze Eisentor erreichten, wandte sich, da seine Katze und seine Ratte just besiegt worden waren, der dunkelrote Dämon Vuwas verärgert vom Turnier-platz ab und entdeckte so die Eindringlinge. »Hoa!« schrie er. »Wer sucht da verstohlen an mir vorbeizuschleichen, auf leisen Sohlen und spitzen Zehen? Mein Gespür sagt mir, daß ihr Böses im Schilde führt!« Er rief seinen Kumpan. »Vus, komm her! Wir haben Arbeit.«
Melancthe sprach mit metallischer Stimme: »Wendet euch nur wieder eurem Spiel zu, gute Teufel! Wir sind hier, um Murgen bei seiner Hexerei zu unterstützen, und wir sind in Verzug, also laßt uns durch!«
»Das ist die Sprache von Eindringlingen. Leute von Tugend bringen uns Geschenke mit. So unterscheiden wir Gute von Bösen. Ihr scheint mir
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