Lyonesse 3 - Madouc
hängt?«
»Ja.«
»Sie enthält grünes Plasma und das Gerippe eines Wiesels. Du mußt auf einen Stuhl steigen, die Kette mit dem Beil durchschneiden und die Kugel mit allergrößter Vorsicht herunterholen. Sodann sollst du mit dem Dorn an der Spitze des Beiles in die Kugel stechen, auf daß ich das Plasma herausziehen und damit meine volle Kraft wiederherstellen kann. Danach werde ich die Kugel wieder verschließen und Murgen komprimieren und in eine ähnliche Kugel einschließen. Sobald das vollbracht ist, habe ich meine Ziele erreicht, und du wirst angemessen belohnt werden, so wie du es verdienst. Ich sage dir dies, damit du mit äußerster Behutsamkeit und Sorgfalt vorgehst. Habe ich mich klar ausgedrückt?«
»Jawohl.«
»Dann mach dich ans Werk! Hinauf auf den Stuhl mit dir! Und daß du mir beim Kappen der Kette allerhöchste Vorsicht walten läßt!«
Torqual stieg auf einen Stuhl. Sein Gesicht war jetzt auf einer Höhe mit dem Wieselskelett im Innern des Glaskolbens. Die schwarzen Knopfaugen starrten ihn an. Torqual hob das Beil und hieb wie versehentlich auf die Glaskugel, so daß grünes Plasma herauszusickem begann. Von unten kam ein gräßlicher Wut-schrei: »Du hast das Glas zerbrochen!«
Torqual durchtrennte die Kette und ließ die Kugel zu Boden fallen; mit lautem Knall zerbarst sie in tausend Stücke; grünes Plasma spritzte in alle Richtungen. Das Wieselgerippe entrollte sich mühsam aus seiner zusammengekrümmten Haltung und suchte mit hastigen Trippelschritten Zuflucht unter einen Stuhl. Desmëi stürzte sich auf den Boden und raffte so viel von dem grünen Plasma zusammen, wie sie eben konnte, und begann so mählich feste Gestalt anzunehmen, dergestalt, daß sich zunächst die Umrisse der inneren Organe abzeichneten, bevor sich schließlich die äußeren Konturen festigten. Verzweifelt kroch sie auf dem Boden herum und schlürfte die Lachen des grünen Stoffes mit dem Mund und der Zunge auf.
Eine zischende Stimme drang an Torquals Ohren: »Nimm das Beil! Durchbohr sie mit dem Dorn! Zaudere nicht, sonst werden wir alle ewige Qualen erdulden!«
Torqual ergriff das Beil; ein schneller Schritt brachte ihn zu Desmëi. Sie sah ihn nahen und schrie angstvoll: »Nicht stechen!« Sie rollte sich zur Seite und raffte sich auf die Beine. Torqual setzte ihr nach und folgte ihr Schritt um Schritt, das Beil vor sich haltend, bis er Desmëi schließlich in die Enge getrieben hatte. »Nicht stechen!« krächzte sie. »Ich werde zunichte werden! 's ist mein Tod!«
Torqual stieß den Dorn durch Desmëis Hals; ihre Substanz schien in die Schneide des Beils zu fließen, das in dem Maße anschwoll, wie Desmëi schrumpfte und sich in Nichts auflöste.
Desmëi war verschwunden. Zurück blieb Torqual, in der Hand ein schweres kurzstieliges Beil mit einer komplizierten Schneide aus silbergrünem Metall. Er machte kehrt und brachte das Beil zum Tisch zurück.
Tamurello, das Wieselskelett, war unterdessen unter dem Stuhl hervorgekrochen; er hatte an Größe zugenommen und war jetzt ebenso groß wie Torqual. Tamurello ging zu einem Schrank und entnahm ihm ein Brett von vier Fuß Länge und zwei Fuß Breite, auf dem das Abbild einer seltsamen grauen Kreatur von menschenähnlicher Gestalt ruhte. Das Wesen hatte glänzende graue Haut, einen kurzen behaarten Hals und einen großen Kopf mit verwischten Zügen und den glasigen Augen eines toten Fisches. Hundert gallertartige Bänder fesselten das Geschöpf an das Brett, so fest, daß es zu keiner Bewegung fähig war.
Tamurello schaute Torqual an. »Kannst du dieses Ding benennen, das nur ein Abbild der Wirklichkeit ist?«
»Nein.«
»Dann will ich dich aufklären. Es ist Joald, und Murgen hat sein Leben der Bändigung dieses Wesens gewidmet, den Kräften zum Trotz, die nach seiner Befreiung streben. Bevor ich Murgen töte, soll er Zeuge werden, wie ich sein Werk zunichte mache und Joald aufersteht. Hörst du mich, Murgen?«
Murgen stieß einen kehligen Gurgellaut aus.
»Es bleibt nur noch wenig Zeit, bis die Pforte sich wieder schließt und die Arme sich zurückziehen. Aber die Zeit genügt, und als erstes werde ich nun das Ungeheuer befreien. Torqual!«
»Ich bin hier.«
»Gewisse Bande halten Joald im Zaum.«
»Ich sehe sie.«
»Nimm dein Schwert und zerschneid die Bande, und ich werde den Singsang singen. Schneide!«
Von Murgen kam ein dünner klagender Laut. Torqual stockte, verharrte unschlüssig.
Tamurello krächzte: »Gehorche, und du wirst meinen
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