Lyonesse 3 - Madouc
überkam ihn; er stürzte sich mit solch wildem Ungestüm auf Shimrod, daß dieser sich in die Defensive gedrängt sah. Ein wütendes Gefecht entbrannte: stoßend, hauend, stechend drangen die beiden aufeinander ein.
Der Knochenhaufen neben dem Tisch fügte sich unterdessen zu einem grotesken Gebilde zusammen. Die schwarzen Knopfaugen, von denen eines jetzt unten saß, während das andere oben haftete, erwachten erneut zu funkelndem Leben. Eine spindeldürre Knochenhand umkrallte das Beil und hob es hoch, während aus der Mitte des Knochengewirrs eine krächzende Stimme den großen Zauberspruch anstimmte.
Shimrod löste sich mit einem behenden Sprung von Torqual, warf ihm einen Stuhl vor die Füße, um ihn aufzuhalten, und hieb nach dem Knochenarm, der das Beil hielt. Der Arm zerbrach mit einem splitternden Geräusch; das Beil fiel auf den Boden. Shimrod hob es blitzschnell auf und warf es dem erneut anstürmenden Torqual ins Gesicht. Torquals Kopf und Gesicht schrumpften zusammen und lösten sich in Nichts auf; sein Schwert fiel klirrend zu Boden, gefolgt von seinem Körper.
Shimrod wandte sich wieder dem Tisch zu. Die Pforte nach Xabiste begann sich zu schließen; zu Shimrods Entsetzen zogen die Arme Murgen mitsamt dem Stuhl durch den Schlitz.
Shimrod hackte mit seinem Schwert nach den dünnen grauen Armen. Die Hände fielen zu Boden, wo sie sich noch einen Moment krampfartig öffneten und schlossen, ehe sie erstarrten. Murgen war frei. Er erhob sich von dem Stuhl, trat vor und blickte auf Joald hinab. Er sprach mit lauter Stimme vier Worte. Joalds Haupt fiel schlaff zurück; der Arm sank neben den schweren, ungeschlachten Rumpf.
Die Insel, die durch das Auftauchen von Joalds schwarzem Schädel entstanden war, versank wieder im Atlantik. Der Arm klatschte mit ungeheurer Wucht auf das Wasser, eine vier hundert Fuß hohe Woge erzeugend, die auf die Küste von Süd-Ulfland zuraste. Sie brandete mit Urgewalt in die Mündung des Evanderflusses und sandte eine riesige Flutwelle durch das Tal, die die sagenhafte Stadt Ys in Sekundenschnelle unter sich begrub.
An der Stelle, wo unter Joalds wütenden Tritten die Strebepfeiler unter der Insel Hybras weggebrochen waren, erbebte der Boden und versank, und das Evandertal mit seinen Palästen und Gärten wurde zu einer Meeresbucht.
Entlang der ulfischen Küste fast bis hinauf nach Oäldes versanken die Küstenstädte, und ihre Bewohner wurden vom Meer verschlungen.
Als die Wasser sich wieder beruhigt hatten, war Ys, die Uralte Stadt, Ys, die Schöne, Ys, die Stadt der Hundert Paläste, im Meer versunken. In späteren Zeiten erhaschten die Fischer mitunter, wenn das Wasser klar war und die Sonnenstrahlen im richtigen Winkel fielen, einen Blick von den wunderbaren Marmorpalästen, in denen sich nichts mehr regte außer den Fischen des Meeres.
4
Düstere Stille herrschte in der Großen Halle von Swer Smod. Murgen stand reglos am Tisch; Shimrod lehnte an der Wand. Auf dem Tisch lag leblos das Ebenbild Joalds. Die zerborstenen Knochen des Wieselskeletts lagen auf einem Haufen. Alle Lebenskraft war aus ihnen gewichen, bis auf das Funkeln der schwarzen Augen. Eine seltsame Veränderung war mit der Schneide des Beiles vor sich gegangen: Sie war zu einer Kugel angeschwollen, die allmählich die Züge eines menschlichen Gesichts angenommen hatte.
Nach einem langen Moment des Schweigens wandte sich Murgen zu Shimrod und sprach mit düsterer Stimme: »So haben wir denn nun eine Tragödie erlebt. Ich kann mir nicht selbst die Schuld geben – aber nur deshalb, weil ich die Energie dafür nicht erübrigen kann. Ich fürchte, ich war allzu selbstgefällig, ja hoffärtig geworden im Bewußtsein der Fülle meiner Macht und der Gewißheit, daß niemand es wagen würde, mich herauszufordern. Ich irrte, und tragische Dinge sind geschehen. Trotzdem darf ich es mir nicht gestatten, mich von Reue und Zerknirschung überwältigen zu lassen.«
Shimrod trat an den Tisch. »Diese Kreaturen – sind sie noch lebendig?«
»Sie sind noch am Leben: Tamurello und Desmëi; und sie ringen verzweifelt um ihren Fortbestand. Diesmal jedoch werde ich kurzen Prozeß mit ihnen machen, und sie werden endgültig vergehen.« Mur-gen trat zu einem seiner Schränke und öffnete die Türen. Er hantierte an einem Apparat, und gleich darauf leuchtete ein gleißendes rosafarbenes Licht auf, und eine seltsam trillernde Stimme sprach: »Murgen, ich spreche über den undenkbaren Schlund hinweg.«
»Das tue auch
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