Lyonesse 3 - Madouc
hochgezogenen Augenbrauen auf ihn herab. Cassander schrie: »Was nun? Warum setzen wir nicht nach und vernichten die feigen Hunde?«
Sir Ettard legte ihm die Gründe geduldig dar. »Weil wir, so wir uns nicht gerade mit der Verstohlenheit von Frettchen vorwärtsschlichen, herbe Verluste erleiden würden. Dies ist sowohl töricht als auch unnötig.«
»Ai ha!« schrie Cassander schmerzgepeinigt, als einer der Herolde seine Wunde versorgte. »Ich bitte Euch, laßt größte Behutsamkeit walten! Ich spüre noch immer den Stoß der Lanze!« Mit schmerzverzerrtem Gesicht wandte er sich wieder Sir Ettard zu. »Wir können hier nicht in untätiger Starre sitzen! Wenn Audry uns entkommt, werde ich das Gespött des Hofes sein! Stellt ihm nach, in den Wald!«
»Wie Ihr befehlt.«
Die lyonessische Armee rückte vorsichtig in den Wald vor, traf aber auf keinen dautischen Widerstand. Cassanders Unzufriedenheit über diesen Fehlschlag wurde noch verstärkt durch den pochenden Schmerz in seiner Schulter. Er fluchte leise vor sich hin: »Wo stecken die feigen Drückeberger? Warum zeigen sie sich nicht?«
»Sie haben keine Lust, getötet zu werden«, sagte Sir Ettard.
»So mag es sein, und so trotzen sie meinen Wünschen! Haben sie sich hoch oben in den Bäumen eingenistet?«
»Sie sind wahrscheinlich dorthin gezogen, wo ich es vermutete.«
»Und wo ist das?«
Ein Kundschafter ritt heran. »Eure Hoheit, wir haben die Daut erspäht. Sie haben den Wald verlassen und fliehen auf der Ebene der Schatten nach Westen.«
»Was bedeutet das?« schrie Cassander verblüfft. »Ist Audry von Sinnen, daß er uns geradezu einlädt zu einem neuerlichen Angriff?«
»Ich glaube nicht«, sagte Sir Ettard. »Während wir im Wald herumpirschen und hinter jeden Busch und jeden Baum lugen, rettet sich Audry in die Freiheit.«
»Wieso?« blökte Cassander.
»Hinter der Ebene liegt Poëlitetz! Muß ich noch mehr sagen?«
Cassander stieß lautstark Luft durch die zusammengepreßten Zähne. »Die Schmerzen in meiner Schulter haben mein Denken gehemmt. Ich hatte Poëlitetz vergessen! Hurtig jetzt! Hinaus aus dem Wald!«
Zurück aus dem Wald und wieder auf der Ebene der Schatten, machten Cassander und Sir Ettard in der Ferne die versprengte dautische Armee aus. Sie hatte bereits die Hälfte des Weges zum Langen Dann hinter sich gebracht. Begleitet von seinen Rittern und der Kavallerie, machte sich Sir Ettard an die Verfolgung; Cassander, der wegen seiner Verletzung nicht schnell reiten konnte, blieb beim Fußvolk.
Das Ausfalltor von Poëlitetz war als dunkler Fleck am Fuße des Langen Dann zu erkennen; andere Elemente der Festung, die aus gewachsenem Fels gebaut war, muteten wie ein Teil der Steilböschung selbst an.
Hart vor Poëlitetz holten Sir Ettard und seine Reiterei die Daut ein; ein kurzes hitziges Scharmützel entbrannte, in dem König Audry und ein Dutzend seiner tapfersten Recken getötet und ebenso viele niedergehauen wurden, als sie den Weg in die Festung für die geschlagenen dautischen Truppen absicherten.
Schließlich fiel das Fallgatter mit einem Rasseln zu. Die lyonessische Kavallerie schwenkte ab, um den Pfeilen zu entgehen, die von den Zinnen auf sie herniederhagelten. Den Soldaten auf der Brustwehr bot sich ein grausiger Anblick: Dutzende von Toten und Sterbenden, zum Teil grotesk verstümmelt, lagen in ihrem Blut auf der Walstatt verstreut.
Das Fallgatter hob sich wieder. Ein Herold mit einer weißen Fahne ritt hinaus auf die Ebene, gefolgt von einem Dutzend Soldaten. Sie ritten zwischen den Gefallenen umher, gaben, wo nötig, den Gnadenstoß, ungeachtet ob Freund oder Feind, und schafften die Verwundeten, auch hier gleichermaßen Freund wie Feind, in die Festung, wo sie mit den vorhandenen Mitteln und nach bestem Vermögen versorgt werden sollten.
Unterdessen traf der Rest der lyonessischen Armee ein und errichtete ein Lager auf der Ebene der Schatten, kaum mehr als einen Pfeilschuß weit von der Festung entfernt. Cassander ließ ein Kommandozelt auf einem kleinen Hügel direkt gegenüber dem Portal aufschlagen. Auf Betreiben Sir Ettards rief er seine Offiziere zu einer Beratung zusammen.
In einer einstündigen Diskussion, die immer wieder unterbrochen wurde von Cassanders Stöhnen und Flüchen, beriet die Gruppe ihre gegenwärtige Lage. Alle waren sich darin einig, daß sie ihre Mission ehrenvoll erfüllt hatten und nun getrost wieder nach Osten zurückkehren konnten, sollte dies ihre Entscheidung sein. König Audry
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