M: Ein Tabor Süden Roman (German Edition)
Leute über ihre Angehörigen und deren Gesundheitszustand. Eine ältere Frau weinte still, eine andere hatte die Arme aufgestützt und die Hände gefaltet und murmelte vor sich hin. Die Männer tranken Helles oder Weißbier, ab und zu nahm einer der Jüngeren seine Zigarettenschachtel und verließ den Raum. Die Bedienung machte einen fröhlichen Eindruck und begegnete jedem Gast mit derselben Höflichkeit. Hinter dem Tresen zapfte ein Mann mit einem voluminösen Schnauzbart Bier und redete kein Wort.
Auch Edith Liebergesell sagte nichts. Das war immer so, wenn sie aß. Süden schob die leere Suppenterrine an den Rand des Tisches, nippte am Mineralwasser, das ihm zu still war, und trank seinen Kaffee. Dann legte er die Arme auf den Tisch, schaute sich in der Gaststube um, als suche er jemanden, wischte sich mit beiden Händen übers Gesicht und sah Edith an, die neben ihm auf der Bank saß.
»Ich weiß nicht, was richtig ist«, sagte er. »Wir können nicht abwarten, das ist alles, was ich weiß. Aber was bedeutet das schon. Wir tun so, als würden wir einen Auftrag ausführen, wir suchen eine Spur, wir wollen unser Geld wert sein. Anders kann ich mit alldem nicht umgehen. Ich bilde mir ein, die Lebensgefährtin eines Taxifahrers bittet uns um Mithilfe bei der Suche nach ihrem Freund, der an einem Sonntag urplötzlich unsichtbar wurde. Also machen wir uns ans Werk, befragen Leute, sammeln die Puzzleteile, die am Ende ein vollständiges Bild ergeben sollen. Wir machen das, was wir können, und wir sind gut darin. Wir werden Erfolg haben, wir werden den Taxler ausfindig machen.«
»Tot oder lebendig«, sagte Edith Liebergesell.
»Tot oder lebendig.«
»Aber wir suchen keinen Taxifahrer.«
»Nein.«
»Wir suchen einen verdeckten Ermittler des LKA.«
»Ja«, sagte Süden.
»Aber unsere Auftraggeberin lässt uns einen Taxifahrer suchen. Und unsere Auftraggeberin spielt ein doppeltes Spiel, oder ein dreifaches. Unsere Auftraggeberin ist womöglich beteiligt am Überfall auf unseren Leo, der dabei fast sein Leben verloren hätte. Wir wissen nicht, ob sie wirklich etwas damit zu tun hat, sie bestreitet es. Und vielleicht lügt sie nicht einmal.«
»Sie lebt in der Lüge, Tag und Nacht.«
»Das bringt uns nicht weiter«, sagte Edith Liebergesell.
»Hat’s Ihnen geschmeckt?« Die Bedienung räumte das Geschirr ab. »Noch eine Weinschorle für die Dame?«
»Nein.«
»Schmeckt Ihnen das Mineralwasser nicht?«
So eine Frage hatte Süden noch nie gehört. »Unbedingt.«
Die Bedienung lächelte.
»Sie wissen nicht, wo er ist«, sagte die Detektivin. »Sie sind auf uns angewiesen.«
Süden schwieg.
»Hältst du es für möglich, dass wir an diesen Polizisten andocken können, den Mordermittler Franck? Der sollte doch trotz seiner Selbstgefälligkeit an unseren Recherchen interessiert sein.«
»Er ist nicht selbstgefällig, er macht seine Arbeit. Wir werden ihn nicht ansprechen, der meldet sich von selber, wenn er uns braucht.« Süden versank in Schweigen. Zwei Frauen, die sich gegenseitig stützten, verließen die Gaststube. Edith winkte der Bedienung und bezahlte die Rechnung.
»Wenn ich den Kerl mal in die Finger kriege, der das Rauchverbot angezettelt hat«, sagte die Detektivin, ohne weiter darauf einzugehen, was sie dann mit ihm vorhätte. »Woran denkst du? Sprich mit mir. Hier werden wir nicht abgehört.«
Zu ihrer Überraschung lächelte Süden. »Kannst du Patrizia erreichen?«, fragte er.
»Auf ihrem Handy, falls sie es eingeschaltet hat. Ich habe ihr gesagt, sie soll es ausschalten.«
»Versuch es bitte.«
Edith Liebergesell tippte die Nummer. »Nur die Mailbox.« Süden nahm ihr das Telefon aus der Hand. »Ich bin es, Patrizia. Ruf mich an und sag mir, ob dein Freund zu Hause ist. Wenn nicht, hol ich dich ab und bring dich in deine Wohnung, wo du dich auskurieren kannst.« Er gab Edith das Telefon zurück, holte seins aus der Jackentasche und schaltete es ein.
»Sehr verschlüsselt klingt das nicht«, sagte Edith.
»Simpel genug, dass es gerade deswegen klappen könnte.«
»Was hast du vor?«
»Wenn Mia in Starnberg ist, steht ihre Wohnung leer«, sagte Süden. Edith wartete ab, worauf er hinaus wollte. »Ich werde mir ein Bild machen.«
»Das machst du nicht.«
»Ich werde nach Hinweisen suchen, die uns zu dem verdeckten Taxifahrer führen.«
»Das ist zu riskant, es ist illegal, und du weißt nicht, ob sie allein dort wohnt.«
»Ich klingele, bevor ich reingehe.«
»Willst du das
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