Mabel Clarence 03 - Schatten ueber Allerby
normannischen Kirche aus dem 13. Jahrhundert führte, befand sich die öffentliche Bücherei. Mabel betrat das Fachwerkhaus aus der Tudorzeit, das aufgrund seiner niedrigen und verwinkelten Räume auch gern von Touristen besucht wurde, und begegnete sofort Alex Grant, dem Leiter der Bücherei.
„Mabel, wie schön, dich wiederzusehen! Womit kann ich dir heute dienen? Den neuen Roman von Ken Follett kann ich empfehlen. Oder wie wäre es mit einem aktuellen Krimi?“
Obwohl Mabels Freizeit knapp bemessen war, war sie ein häufiger Gast in der Bücherei, denn sie liebte es, vor dem Einschlafen zu lesen. Dazu kam sie aber nur dann, wenn sie sich nicht Gedanken über ein Verbrechen machte, was nun leider schon wieder der Fall war.
„Guten Tag, Alex, geht es dir gut?“, erwiderte Mabel.
Sie und Alex Grant gingen sehr freundschaftlich miteinander um, denn sie gehörten derselben Theatergruppe an, in der es üblich war, sich beim Vornamen zu nennen. Im letzten Jahr hatte Alex einen Henker gespielt, und Mabel hatte sein Kostüm weiter machen müssen, da eine seiner Leidenschaften das gute Essen seiner Frau war, was sich deutlich auf seine Figur auswirkte.
„Danke, mir geht es prächtig.“ Er klopfte sich lachend auf seinen nicht unerheblichen Bauch. „Also, welches Buch kann ich dir empfehlen?“
„Gibt es etwas über Allerby House?“
„Allerby?“ Alex legte einen Finger an sein Kinn und dachte nach. „Das Herrenhaus der Familie Carter-Jones drüben bei Fowey?“
Mabel nickte. „Ich habe schon einiges über die Familie und das Haus gehört und möchte mehr darüber erfahren. Du weißt ja, wie sehr mich alte Häuser und deren Geschichte interessieren.“
„Umso mehr wundert es mich, dass du nicht in Higher Barton wohnst“, entgegnete Alex. „Aber das ist deine Sache. Ich glaube, wir haben da was. Warte hier, ich schaue gleich mal nach. Darf ich dir einen Kaffee oder eine Tasse Tee anbieten?“ Er deutete auf die kleine Bar auf der rechten Seite, an der für die Kunden der Bücherei Erfrischungen bereitstanden, von denen sie sich kostenlos bedienen konnten.
„Ein Glas Wasser wäre nett.“
Mabel dankte, und Alex verschwand zwischen den deckenhohen Regalen. Sie musste nicht lange warten, dann kehrte er mit zwei Büchern zurück. Beide Einbände waren abgegriffen, was darauf hinwies, dass die Bücher vor vielen Jahren gedruckt worden sein mussten.
„Wir haben hier einmal die Baugeschichte des Haus, die ist aber sehr fachmännisch. Dieses Buch hier“, er reichte Mabel das zweite, „beschreibt die Familiengeschichte der Carter-Joneses. Ist es das, wonach du gesucht hast?“
Mabel nickte. „Ganz wunderbar, ich nehme beide mit.“
„Gern.“
Alex bat Mabel zu seinem Schreibtisch, suchte im Computer ihre Kartei, trug die Bücher ein, und Mabel entrichtete eine kleine Gebühr. Dann steckte sie die Bücher in ihre Handtasche und wandte sich zum Gehen.
„Ich danke dir und wünsche noch einen schönen Tag, Alex.“
„Du bist doch in diesem Jahr wieder dabei, oder?“, fragte er. „So langsam wird es Zeit, mit den ersten Proben zu beginnen, und ich glaube, mein Kostüm musst du wieder weiter machen.“ Grinsend deutete er auf seine nicht vorhandene Taille. „Das heißt, wenn Eric mich wieder als Henker dabeihaben will.“
„Warum sollte er nicht?“, fragte Mabel und zwinkerte Alex zu. „Du bist für diese Rolle geradezu prädestiniert. Sag Eric, er soll mich anrufen, wenn er meine Hilfe braucht. Sofern es meine Zeit zulässt, bin ich gern wieder behilflich.“
Nach dem ausgefallenen Lunch am Vortag war Victor begeistert, dass Mabel ihm heute eines seiner Lieblingsgerichte zubereitet hatte: pikant gewürztes Hähnchencurry mit Reis und buntem Gemüse. Binnen kurzer Zeit leerte er den ersten Teller und bat Mabel um einen Nachschlag. Mabel aß ebenfalls mit, wobei sie für sich eine Portion zur Seite getan hatte, bevor sie den Rest mit Chilischoten und Tabasco gewürzt hatte, da sie Victors Vorliebe für scharfe Speisen nicht teilte. Nach dem Essen brühte sie einen Kaffee auf. Es war üblich, dass sie und Victor noch etwa eine halbe Stunde beisammensaßen, bevor er sich wieder seiner Arbeit widmen musste.
Mabel nahm die Bücher aus der Tasche und legte sie auf den Tisch. Victor warf nur einen Blick darauf und sah Mabel streng an.
„Sie können es nicht lassen, nicht wahr?“
Mabel wusste sofort, was er meinte, und sagte: „Sie müssen doch zugeben, dass Michelles
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