Mabel Clarence 03 - Schatten ueber Allerby
kommen.“
Der Raum war nicht sehr groß, aber gemütlich eingerichtet. Das Bett war ebenso modern wie die kleine Sitzgruppe mit einem Tischchen und zwei Sesseln. Der Schreibtisch aus poliertem Walnussholz schien hingegen antik zu sein, harmonierte aber gut mit dem zweitürigen Kleiderschrank und der dazu passenden Kommode. Die Vorhänge, der Teppich und die Sitzbezüge waren in einem zarten Goldgelb gehalten, was dem Raum ein helles und freundliches Ambiente gab. In der rechten hinteren Ecke führte eine Tapetentür in ein eigenes, angrenzendes Bad, wie Mabel erkennen konnte, da die Tür geöffnet war.
„Es ist sehr schön“, sagte sie ehrlich und dachte, dass sie sich durchaus vorstellen konnte, in einem Haus wie Allerby zu wohnen, denn hier war vom Alter des Hauses nichts zu spüren. Obwohl sie Higher Barton wirklich liebte – die Innenausstattung von Allerby war modern, großzügig und hell, ohne dabei im Widerspruch zum Charakter des Hauses zu stehen.
„Ich schlage vor, ich richte uns einen kleinen Imbiss, und nach dem Lunch führe ich Sie zu Captain Douglas“, sagte Angela.
Mabel dankte und trat zum Fenster. Ihr Blick schweifte über eine große Terrasse zu einem Rosengarten, dessen Mitte ein Springbrunnen mit vier Steinfiguren beherrschte, die den Werken von Michelangelo nachempfunden waren. An den Rosengarten schloss sich eine Wiese mit altem Baumbestand an, die an einen dichten Wald grenzte.
„Mrs Daniels?“
Mabel zuckte zusammen, als Angela sie leicht an der Schulter berührte.
„Mrs Daniels?“, fragte die junge Frau erneut.
Mabel schmunzelte bei der Anrede, auf die sie nicht reagiert hatte. Da Angela ihr vorgeschlagen hatte, sie beim Vornamen zu nennen, sagte sie: „Bitte nennen Sie mich Mabel, und Miss übrigens.“
Als Angela lächelte, bildeten sich Grübchen in ihren Wangen. „Gerne, Miss Mabel. Ich wollte nur wissen, wie Sie Ihren Tee mögen.“
„Stark, ohne Zucker, aber mit Sahne“, antwortete Mabel, dann ließ Angela sie allein.
Mabel ging zum Schrank und öffnete die Türen. Er war bis auf ein zweites Kopfkissen und eine Wolldecke leer. In der oberen Schublade des Schreibtisches fand sie Schreibutensilien und einen Briefblock mit dem Schriftzug und dem Wappen von Allerby. Das Bad war zwar klein, kaum größer als das in ihrem Cottage, aber zweckmäßig und modern eingerichtet. Sogar die meisten Toilettenartikel standen zur Verfügung, und in einem kleinen Schränkchen fand Mabel flauschige weiße Handtücher.
Als Angela zurückkehrte, stellte Mabel enttäuscht fest, dass sich nur ein Gedeck auf dem Tablett befand. Sie hatte gehofft, die gesprächige junge Frau würde ihr Gesellschaft leisten und sie könnte erneut auf Michelles tragischen Tod zu sprechen kommen.
Als hätte Angela Mabels Gedanken gelesen, sagte sie bedauernd: „Ich muss Sie leider allein lassen, aber ich erwarte einen Installateur. Bei solchen alten Häusern gibt es immer wieder mal Probleme, dieses Mal ist es der Heißwasserboiler.“
Wem sagen Sie das, lag es Mabel auf der Zunge, sie schwieg jedoch, um sich nicht zu verraten. Nachdem sie sich mit einer Tasse Tee und zwei Schinkensandwiches gestärkt hatte, kam Angela auch schon wieder zurück.
„So, alles im grünen Bereich“, rief sie. „Der Installateur ist mit der Reparatur des Boilers beschäftigt, und Captain Douglas ist wach. Ich bringe Sie jetzt zu ihm.“
Die Räume von Douglas Carter-Jones befanden sich im ersten Stock, am Ende einer langen Galerie, deren Wände Familienporträts zierten – ähnlich wie die auf Higher Barton.
„Nach dem Unfall – also, aufgrund dessen Captain Douglas im Rollstuhl sitzen muss – wurde ein Aufzug eingebaut“, erklärte Angela ungefragt. „Ebenso wurde der Nebenraum seines Zimmers zu einem behindertengerechten Bad umgestaltet, so dass er seine bisherigen Räume weiter bewohnen kann.“
„Das ist sinnvoll“, stimmte Mabel zu. „Für die Genesung eines Menschen ist es wichtig, in der gewohnten Umgebung zu verbleiben.“
Angela klopfte, wartete eine Antwort aber nicht ab und öffnete die Tür zu Lord Douglas’ Zimmer. „Captain, Miss Mabel Daniels, Ihre Pflegerin, ist eingetroffen.“
Mabel folgte ihr in den großen, hellen Raum, der von einem breiten Himmelbett mit gedrechselten Pfosten beherrscht wurde. Mit einem fachkundigen Blick erkannte sie sofort, dass das Untergestell durch ein professionelles Pflegebett ersetzt worden war. Douglas Carter-Jones lag, den Frauen den Rücken
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