Mabel Clarence 03 - Schatten ueber Allerby
wünschen?“
„Die Agentur Sunshine & Care schickt mich bezüglich der Pflege eines gewissen Douglas Carter-Jones. Das werden Sie hoffentlich wissen?“
Mabel sagte mit einem bedauernden Lächeln: „Es tut mir leid, aber das ist nicht mehr notwendig.“
„Was soll das heißen?“ Mürrisch krauste die Frau die Stirn. „Ich habe den Auftrag vor zwei Tagen erhalten, konnte mich aber erst heute frei machen, da ich mich bis gestern um eine andere Patientin kümmern musste. Das hatte ich der Agentur ordnungsgemäß mitgeteilt.“
„Die Betreuung von Lord Carter-Jones wurde zwischenzeitlich im familiären Kreis geregelt“, sagte Mabel und hoffte, ob dieser Lüge nicht zu erröten. „Ich bedauere, dass Sie nicht darüber informiert wurden.“
„Das hätte man mir wirklich sagen können, dann hätte ich mir den weiten Weg von Truro hierher gespart, dazu noch am Sonntag. Ich habe wirklich Besseres zu tun.“
„Wie gesagt, ein bedauerlicher Irrtum“, wiederholte Mabel. Sie verstand den Ärger der richtigen Pflegerin, die nun umsonst nach Allerby gekommen war. Instinktiv spürte Mabel aber auch, dass diese Frau und Captain Douglas nicht besonders gut miteinander ausgekommen wären. So tat Mabel mit ihrem spontanen Entschluss, sich in Allerby House einzuschleichen, eigentlich ein gutes Werk, denn unter ihrer Betreuung würde Captain Douglas hoffentlich bald wieder zu einem einigermaßen normalen Leben zurückfinden. Dass Mabel vorhatte, nur so lange zu bleiben, bis sie die Hintergründe von Michelles Tod herausgefunden hatte, schob sie in diesem Moment beiseite.
Nachdem die Pflegerin mit einem zornigen „Ich werde mich bei der Agentur beschweren!“ gegangen war, eilte Mabel in die Küche, fand den Auflauf aus Lammhackfleisch, Bohnen und Kartoffeln im Kühlschrank und wärmte eine Portion in der Mikrowelle auf. Sie bereitete noch eine Kanne Tee und brachte dann alles auf einem Tablett zu Captain Douglas hinauf. Mabel wollte ihm sagen, es wäre ein Zeitungsverkäufer gewesen, sollte er fragten, wer an der Tür gewesen war.
Diese kleine Schwindelei war aber gar nicht nötig, denn Mabel fand den Captain in Gedanken versunken vor. Mit gebeugtem Rücken saß er vor dem Laptop und starrte auf den Bildschirm. Er schien sich eine Art Fotoalbum anzuschauen, denn Mabel sah ein Bild von Michelle und ihm, das im Garten aufgenommen worden war. Beide blickten in die Kamera und strahlten. Michelle stand hinter ihrem im Rollstuhl sitzenden Mann, eine Hand lag auf seiner Schulter, und er hatte einen so glücklichen und fröhlichen Gesichtsausdruck, dass es Mabel das Herz zusammenzog.
Leise sprach sie ihn an: „Ihr Lunch, Captain.“
Lord Douglas zuckte zusammen, drehte den Kopf und sah Mabel mit einem Ausdruck an, als sähe er sie zum ersten Mal. Dann fuhr er sich mit dem Handrücken über die schweißnasse Stirn, obwohl der Raum angenehm und keinesfalls zu warm temperiert war. Langsam kehrte er aus seinen Erinnerungen in die Gegenwart zurück.
„Ich sagte doch, ich möchte nichts essen.“
Mabel wusste, es würde ihr nicht gelingen, ihn zum Essen zu überreden, darum stellte sie das Tablett auf den Tisch, schenkte eine Tasse Tee ein und reichte sie ihm.
„Ihre Frau?“, fragte sie leise und deutete auf den Bildschirm. Lord Douglas sollte nicht merken, dass sie Michelle kennengelernt hatte.
Er nickte. „Bevor Sie zu mir kamen, wurden Sie sicher über den … Vorfall, der mein Leben verändert hat, informiert, nicht wahr?“
„Ja, Captain, und es tut mir von ganzem Herzen leid.“
„Sie war noch so jung“, fuhr Lord Douglas fort, und Mabel war sich nicht sicher, ob er zu ihr oder zu sich selbst sprach. „So jung und voller Lebensfreude. Warum hat sie das nur getan? Ich glaubte immer, Michelle wäre glücklich.“
Seine Augen schimmerten feucht. Spontan legte Mabel eine Hand auf seine Schulter und merkte, dass er am ganzen Körper zitterte.
„Sie haben Ihre Frau sehr geliebt.“ Das war keine Frage, sondern eine Feststellung.
Lord Douglas hob den Kopf und sah Mabel verzweifelt an. „Wahrscheinlich sind Ihnen auch die Gerüchte zu Ohren gekommen, Michelle habe mich nur wegen des Geldes geheiratet.“ Er lachte bitter. „Warum sonst sollte eine hübsche und gesunde Frau einen Krüppel, der ihr Vater hätte sein können, zum Mann nehmen? Diejenigen, die solche gemeinen Dinge sagen, kannten Michelle nicht. Sie wissen nicht, was für ein liebevoller und zärtlicher Mensch sie war.“
„Möchten
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