Mabel Clarence 03 - Schatten ueber Allerby
gestehen, dass es besser ist, wenn Sie Ihre Ermittlungen einstellen. Auch wenn Michelle Carter-Jones die Geburtstagsfeier ihres Mannes plante und auf Sie einen lebenslustigen Eindruck machte – man weiß nie, was im Kopf einer Frau vor sich geht. Heute so und morgen so …“
Mabel lachte. „Das sagen ausgerechnet Sie, Victor? Nun, Sie haben ja auch ausreichend Erfahrung mit der Gefühlswelt einer Frau, nicht wahr?“ Schelmisch zwinkerte sie ihm zu, und Victor schmunzelte.
„Auch wenn ich nie verheiratet war oder mit einer Frau zusammengelebt habe, weiß ich doch, welchen Stimmungsschwankungen weibliche Wesen unterliegen.“ Er nickte bestimmt. „Nein, nein, auf ein solches Durcheinander habe ich keine Lust, daher kommt mir keine Frau ins Haus.“
„Außer, um Ihnen den Haushalt zu führen“, sagte Mabel leise und senkte den Blick.
„Was meinten Sie?“
„Ach, nichts.“ Mabel winkte ab. Sie wusste selbst nicht, warum ihr Victors Worte einen kleinen Stich versetzt hatten. Dann gab sie sich einen Ruck und fuhr fort: „Ich werde diese Woche noch auf Allerby bleiben und abwarten, schließlich kann ich nicht von einem Tag auf den anderen gehen, die weitere Pflege muss erst gesichert sein. Heute Abend möchte ich mit Jane Carter-Jones sprechen und sie bitten, sich nächste Woche eine andere Pflegerin zu suchen.“
So plötzlich, dass Mabel erschrocken zusammenzuckte, nahm Victor ihre Hand. Seine Stimme war ungewohnt sanft, als er sagte: „Es tut mir leid, dass Sie dieses Mal auf einer falschen Spur waren. Ähm … Nein, eigentlich tut es mir nicht leid, denn somit begeben Sie sich nicht wieder in Gefahr. Auf jeden Fall werde ich froh sein, Sie wieder hier in Lower Barton zu haben.“
„Tja, ich muss wohl einsehen, dass ich mich in eine fixe Idee verrannt hatte. Sie müssen aber zugeben, meine Argumente waren nicht von der Hand zu weisen. Ich bin jedoch nicht zu stolz, mein Scheitern einzugestehen.“ Sie zögerte und fuhr dann mit einem Lächeln fort: „Solange ich nicht bei Warden Abbitte leisten muss. Diese Blamage würde ich mir doch gerne ersparen.“
Victor stimmte in ihr Lachen ein. „Zum Glück weiß er nichts von Ihrem ‚Ausflug‘ nach Allerby und von mir wird er kein Sterbenswörtchen erfahren.“
„Ich traf den Chefinspektor vorhin beim Einkaufen“, berichtete Mabel. „Er meinte, Michelles Tod sei nun endgültig mit dem Vermerk ‚Selbstmord‘ abgeschlossen.“
„Gut so.“ Victor nickte. „Dann werde ich nächste Woche also noch auf Sie verzichten müssen. Vielleicht ist auch schon früher eine neue Pflegerin verfügbar, denn ich mache drei Kreuze, wenn hier“, er machte eine raumgreifende Handbewegung, „endlich wieder alles in geregelten Bahnen läuft.“
Sie tranken noch eine Tasse Tee, dann musste Mabel aufbrechen, obwohl sie lieber geblieben wäre. Sie hatte aber die Verantwortung für Douglas Carter-Jones übernommen und durfte ihn nicht von einem Tag auf den anderen im Stich lassen.
Der Frühlingstag war in einen milden Abend übergegangen. Vögel zwitscherten in den Zweigen der Bäume, und von der Küste her wehte eine leichte Brise, die nach Salz und Tang roch. Mabel liebte diese reine und klare Luft, obwohl Lower Barton rund sechs Meilen vom Meer entfernt war. Gern hätte sie in einem Cottage direkt am Wasser gelebt, aber die Ortschaften Polperro und Looe, die am Meer lagen, wurden im Sommer von Touristenschwärmen geradezu heimgesucht und hatten sich auf Kommerz eingestellt, während Lower Barton sich seinen ursprünglichen Charakter bewahrt hatte.
Während Mabel über die A 390 fuhr und das schöne alte Städtchen Lostwithiel passierte, schweiften ihre Gedanken zu Michelle und Allerby House. Es stimmte, was sie Victor gesagt hatte, denn mit jedem Tag auf Allerby war Mabel mehr zu der Überzeugung gelangt, keinem Verbrechen auf der Spur zu sein. Es gab zwar einige Indizien, die indes alle nicht ausreichten, um wirklich von einem Mord ausgehen zu können. Auch von der gesprächigen Angela Thorn hatte Mabel nichts mehr erfahren. Die junge Frau litt unter dem Tod ihrer Herrin und besonders darunter, dass sie es gewesen war, die Michelle gefunden hatte. Jane Carter-Jones hatte ihre Schwägerin zwar nicht gemocht und war auch sonst ein etwas seltsamer Charakter, den Mabel nicht vollständig ergründen konnte. Ihr aber einen kaltblütigen Mord zuzutrauen, ging doch etwas zu weit. Und Captain Douglas … Bei ihm schieden sich Mabels Empfindungen. Einst
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