Mabel Clarence 03 - Schatten ueber Allerby
frisch gebürstet –, hatte sie ein schlechtes Gewissen. Ihr Frauchen nun seit Tagen nicht gesehen zu haben, musste das Tierchen traurig stimmen. Victor war zwar der Ansicht, Katzen lebten stets im Hier und Jetzt und verfügten über kein Zeitgefühl, würden also gar nicht merken, wie lange ein Mensch fort war, doch Mabel war anderer Meinung, und Luckys jetzige Reaktion gab ihr recht. Nachdem die Katze ausgiebige Streicheleinheiten erhalten hatte, strampelte sie und sprang aus Mabels Armen. Sie verschlang eine Portion Nassfutter, dann trollte sie sich wieder nach draußen. Offenbar ging Lucky davon aus, ihr Frauchen sei nun wieder da, wo es ihrer Meinung nach hingehörte.
Mabel fiel es schwer, das Cottage zu verlassen. Nicht allein wegen Lucky wollte sie das Geheimnis um Michelles Tod so schnell wie möglich lüften. Auch sie selbst sehnte sich danach, ihr gewohntes Leben wieder aufnehmen zu können. So schön es war, in einem herrschaftlichen Haus wie Allerby zu wohnen, sich nicht selbst um die Mahlzeiten kümmern zu müssen – sie vermisste ihr kleines, gemütliches Cottage, in dessen Garten das Unkraut bereits nach wenigen Tagen unkontrolliert zu wuchern begann, und die heimelige Atmosphäre Lower Bartons. Obwohl sie Captain Douglas mochte und seine Pflege nicht sehr anstrengend war, vermisste sie auch ihre Tätigkeit bei Victor Daniels. Mabel schmunzelte. Sie hätte nie gedacht, dass sie sich einmal danach sehnen würde, hinter Victor herzuräumen. Kurzentschlossen fuhr sie zum Haus des Tierarztes. Samstags war die Praxis geschlossen, und Victors Jeep stand nicht in der Einfahrt.
Wahrscheinlich macht er Hausbesuche, dachte Mabel, öffnete die Tür mit ihrem eigenen Schlüssel und ging in die Wohnung hinauf. Ihre schlimmsten Befürchtungen bewahrheiteten sich, denn in der geräumigen Wohnküche, dem angrenzenden kleineren Wohnzimmer und dem Bad herrschte ein heilloses Durcheinander. Mabel stieß auf einen Berg benutztes Geschirr, Kleidungsstücke lagen nicht nur auf den Sitzmöbeln, sondern auch auf dem Fußboden herum, Zeitungen und Fachzeitschriften stapelten sich unordentlich in einer Ecke neben dem Sofa. Mabel seufzte, lächelte aber gleichzeitig. Entschlossen zog sie ihren Mantel aus und krempelte die Ärmel ihrer Bluse hoch. Sie wurde erst am Abend auf Allerby zurückerwartet, hatte also genügend Zeit, um die gröbste Unordnung zu beseitigen.
In den nächsten drei Stunden wusch Mabel das Geschirr, sah Victors Kleidung durch, um festzustellen, welche Stücke eine Runde in der Waschmaschine nötig hatten, schrubbte die Küchenschränke ebenso wie das Bad, saugte die Teppichböden und wischte die Fliesen nass ab. Die Fenster hätten zwar auch dringend einer Reinigung bedurft, dafür fehlte Mabel dann aber doch die Zeit. Mit einem Ohr lauschte sie zur Tür in der Erwartung, Victor kommen zu hören. Der Tierarzt schien jedoch den ganzen Nachmittag anderweitig zu verbringen. Nach einem Blick in den Kühlschrank beschloss Mabel, noch schnell einkaufen zu gehen. Offenbar ernährte sich Victor ausschließlich von Fertiggerichten, die er in der Mikrowelle erwärmte, oder aß im Pub, denn im Kühlschrank herrschte ebenso gähnende Leere wie in den Vorratsschränken.
„Es wird Zeit, dass ich wieder zurückkomme“, sagte Mabel laut und machte sich unverzüglich auf den Weg. Da sie heute größere Mengen an Lebensmitteln brauchte, entschloss sie sich, zum Supermarkt zu fahren, denn bei Morrisons würde sie alles bekommen, auch wenn sie persönlich die kleinen, familiär geführten Geschäfte im Zentrum des Ortes bevorzugte. Dort einzukaufen würde sie aber zu viel Zeit kosten, denn sie wollte zum Dinner wieder in Allerby sein.
Am Samstagnachmittag herrschte großer Andrang bei Morrisons, und Mabel musste dreimal den Parkplatz absuchen, bis endlich ein Auto aus einer Parklücke fuhr und für sie Platz machte. Sie stieg aus, schloss den Wagen ab und ging zum Eingang, als sie hörte, wie jemand ihren Namen rief.
„Miss Clarence! Sie wollen hoffentlich nicht zu mir?“
Mabel drehte sich um. „Keine Angst, Chefinspektor, ich möchte lediglich einkaufen.“
Die Erleichterung stand Randolph Warden ins Gesicht geschrieben. „Nun, derzeit gibt es ja auch nichts, das uns beide miteinander verbindet.“ Wardens Blick fixierte Mabel. „Oder, Miss Clarence?“
„Nein, nein, sicherlich nicht“, versicherte Mabel schnell.
Warden blieb jedoch skeptisch und fragte: „Ihre Meinung, der Tod
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