Mabel Clarence 03 - Schatten ueber Allerby
Kichern.
„Ich habe Ihnen etwas zu sagen, das ich ungern mitten auf der Straße tun möchte“, antwortete Warden mit einem Anflug von Verlegenheit. „Bevor wir jetzt aufs Revier gehen, können wir es auch gleich hier erledigen. Außerdem habe ich noch nicht gefrühstückt.“
„Ach, ist Ihre Frau mal wieder verreist?“ Die Frage war Mabel einfach so entschlüpft, und sie fuhr schnell fort: „Das geht mich natürlich nichts an, Chefinspektor, und ja, gehen wir in den Tearoom. Ich bin gespannt, was Sie mir zu sagen haben.“
Randolph Warden bestellte sich ein kleines Frühstück, dazu einen großen Kaffee, während Mabel sich mit einer Tasse Earl Grey begnügte. Ihre Geduld wurde auf die Probe gestellt, denn Warden verspeiste erst in aller Ruhe seine Eier, den Speck und vier Scheiben Toast mit Himbeermarmelade, bevor er zum Anlass seiner Einladung kam.
„Miss Clarence, Sie müssen mir alles sagen, was Sie wissen.“
„Ich verstehe nicht, was Sie meinen, Chefinspektor.“
Warden räusperte sich. „Nun, es ist ja nicht das erste Mal, dass Sie wichtige Informationen zurückhalten. Immerhin haben Sie mehrere Tage lang Seite an Seite mit einem Mörder gelebt, da wird Carter-Jones doch …“
„Captain Douglas ist nicht der Täter“, unterbrach Mabel ihn und wiederholte ihre Argumente, die sie schon Victor dargelegt hatte. Warden hörte ihr so aufmerksam zu, dass Mabel sich fragte, was mit dem Chefinspektor geschehen war, denn derart zugänglich hatte sie ihn noch nie zuvor erlebt.
„Schön und gut“, sagte er, als Mabel geendet hatte, „die Indizien sprechen aber gegen Carter-Jones. Allerdings leugnet er vehement, mit dem Tod von El-Said etwas zu tun zu haben. Sollte an Ihrem Gedanken, Lady Jane sei die Täterin, etwas dran sein, dann würde Carter-Jones den Mord doch gestehen. So jedoch ergibt seine Aussage, über die Affäre seiner Frau informiert gewesen zu sein, keinen Sinn – außer, er hat sich am Liebhaber gerächt. Aus diesem Grund möchte ich von Ihnen mehr erfahren, denn Carter-Jones’ Anwalt zerreißt mich in der Luft, wenn ich nicht handfeste Beweise vorlegen kann. Der ist nämlich ein ganz scharfer Hund, man sagt, er wäre der beste Anwalt in Cornwall …“ Warden stutzte und runzelte die Stirn. „Natürlich, Sie kennen Mr Trengove ja. Ist er nicht ein Verwandter des Tierarztes?“
„Sein Patensohn“, erwiderte Mabel und winkte ab. „Das spielt jetzt aber keine Rolle. Wichtig ist zu klären, warum Captain Douglas den Liebhaber seiner Frau hätte ermorden sollen, nachdem Lady Michelle bereits tot war. Er hätte damit nichts gewonnen.“
„Außer der Genugtuung der Rache“, ergänzte Warden. „Miss Clarence, Ihre … sagen wir: Aktivitäten in den letzten Monaten in allen Ehren, aber meine langjährige Berufserfahrung hat gezeigt, dass Rachsucht ein sehr starkes Motiv ist. Carter-Jones konnte es nicht ertragen, dass der Mann, mit dem seine Frau das Bett teilte, weiter lustig und munter durchs Leben schreitet, während er alles, was er liebte, verloren hat. Dabei wäre ein Mord gar nicht nötig gewesen …“ Warden brach ab, und eine leichte Röte zog über seine Wangen.
Gespannt lehnte Mabel sich vor. „Ja, Chefinspektor? War El-Said etwa krank, oder wie soll ich Ihre Worte sonst interpretieren?“
Warden ärgerte sich, dass ihm diese kleine Bemerkung entschlüpft war, aus der Mabel gleich die richtigen Schlüsse gezogen hatte. „Ich dürfte Ihnen das eigentlich nicht sagen. Dienstgeheimnis, Sie verstehen?“
„Sie haben von mir aber auch alles erfahren“, konterte Mabel. „Eine Hand wäscht die andere, Chefinspektor.“
Warden gab sich einen Ruck. „Nun gut, Sie würden es ohnehin irgendwie herausfinden, und wenn Sie wieder versuchen würden, meinen manchmal etwas naiven Sergeant Bourke um den Finger zu wickeln.“ Warden sah sich in dem kleinen Tearoom um; sie waren aber die einzigen Gäste, und die Serviererin war im hinteren Teil des Raumes beschäftigt. „Gestern erhielt ich den Abschlussbericht der Obduktion von El-Said. Der Ägypter starb, wie von Anfang an vermutet, durch einen gezielten Stich, der seinen rechten Herzbeutel durchbohrt hatte. Der Pathologe hatte aber noch eine weitere Information: Mahmoud El-Said war HIV-positiv.“
„Aids?“ Mabel zuckte zusammen, ihre Augen weiteten sich ungläubig.
„Noch nicht“, antwortete Warden leise. „Die Krankheit war noch nicht ausgebrochen, und heutzutage kann man mit Medikamenten
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