Macabros 001: Der Monster-Macher
Wünschen geben
können.
Am meisten hatte ihn zunächst die Tatsache seiner
ungeheuerlichen Fähigkeit, sich zu verdoppeln, interessiert.
Selbst Dr. Anton Wollny hatte die wissenschaftliche Möglichkeit
angedeutet und dem entsprechende Fachbücher herangeschafft.
Der sogenannte »Doppelgänger«, der bewußt und
unbewußt bei vielen Menschen vorkommen konnte, wurde sowohl in
der medizinischen als auch in der theosophischen und
anthroposophischen Terminologie als ein Ätherkörper
gekennzeichnet und eingehend beschrieben.
Das bedeutete: Je stärker sich der eine Körper
materialisierte, desto schwächer erschien im Normalfall der
andere, der zurückgebliebene, sogenannte physische oder
»Originalkörper«.
Aber es gab auch Ausnahmen. Diese Ausnahme wurde in der
Terminologie als das sogenannte »Majavi-Rupa« bezeichnet.
Trat dieser Zustand auf, dann waren sowohl der physische Körper
als auch der ausgeschiedene Doppelgänger zur gleichen Zeit
lebendig und ansprechbar. Beide konnten antworten und Entscheidungen
treffen, und keiner wirkte in seiner Gestalt verändert,
schemenhaft oder anders. An einen solchen Zustand konnte Björn
Hellmark sich nicht erinnern.
Er hatte Wollny gebeten, weiteres Material heranzuschaffen und
Nachforschungen anzustellen. Er wollte alles über seinen neuen
Körper wissen.
Unwillkürlich warf er einen Blick an sich herunter. Er trug
einen hellen Anzug, ein blau-weiß gestreiftes Hemd und eine
unifarbene Krawatte. Er sah aus wie ein Playboy, aus dem Ei gepellt
wie eh und je.
An Björns Körper gab es nur ein Zeichen, das darauf
hinwies, daß er einen Unfall erlitten hatte. Das war die
Schnittwunde, quer unter der Brust. Doch sie war schon gut verheilt
und vernarbte.
Immer verworrener wurde der Fall selbst, der erst so klar auf der
Hand zu liegen schien. Björn wußte, daß ein
Mordanschlag auf sein Leben vorlag. Er war überzeugt davon,
daß die Kripo das Menschenmögliche getan hatte und noch
immer tat. Und doch stimmte hier etwas nicht.
Gestern, einen Tag nach seiner Ankunft in Tokio, hatte er
telefonisch aus Deutschland die Nachricht entgegengenommen, daß
man Poul Andersons Leiche durch einen Zufall im Mittelmeer gefunden
hatte. Und welche Ironie des Schicksals! Ausgerechnet der tauchenden
Chantalle Durimand, die dort ein paar Urlaubstage verbrachte,
mußte die Leiche im wahrsten Sinn des Wortes zwischen die Beine
geraten.
Doch Björn wollte letzte Gewißheit haben. Bewußt
hatte er deshalb heute bei Taykushi vorgesprochen. Bewußt hatte
er sich nach Yamahoki und Hamado erkundigt, und es war schon
mysteriös, daß man dieses Gespann nicht wie normale
Menschen in einer Wohnung besuchen oder anrufen konnte. Anmeldungen
waren notwendig!
Björn Hellmark legte Wert darauf, erkannt zu werden.
Der Fahrer fuhr plötzlich rechts heran, steuerte auf den
kleinen Parkplatz zu und hielt.
»Wir sind da«, sagte er in gutem Englisch. Es gab in
Tokio kaum einen Taxifahrer, der englisch nicht beherrschte.
Björn Hellmark nickte, warf einen Blick auf den Tachometer
und zog einen Schein mehr aus seiner Brieftasche.
»Hier ist Massagesalon von Meiko Shakushi! Berühmt!
Prima! Nicht zu verachten!«
Der blonde Deutsche stieg aus, winkte dem Fahrer kurz zu und ging
dann zum Eingang des Badehauses.
Fünfzig Meter entfernt vor einem farbig beleuchteten
Schaufenster drehte sich in diesem Moment eine etwa
fünfunddreißigjährige, dunkelhaarige Schönheit
um, ließ den Blick nach vorn schweifen und wußte offenbar
nicht, welches nächste Geschäft sie bei diesem verlockenden
Überangebot inspizieren sollte.
Die junge Frau war Chantalle Durimand. Obwohl erst am Nachmittag
angekommen, ließ sie es sich nicht nehmen, einen
nächtlichen Bummel durch diese grelle, mit Farben und Leben
erfüllte Hauptstraße zu machen.
Chantalle Durimand stutzte und glaubte nicht richtig zu sehen, als
sie den blonden Europäer bemerkte. »Bernd Hellmer!«
kam es wie ein Hauch über ihre Lippen, und es klang unwirklich
und erschrocken.
*
Es gab noch jemand der die Ankunft Hellmarks gesehen hatte.
Tonka Hamado.
Der Privatchauffeur Konakis und angebliche Manager des Rennfahrers
Yamahoki stand mit einem Taykushi-Spezial auf der anderen Seite des
Parkplatzes, saß in seinem dunklen Wagen und hielt seit genau
fünfundzwanzig Minuten den Eingang des Badehauses im Auge. Nun
war er wirklich gekommen. Hellmer! Aber dieser Mann weilte unter den
Toten!
Wie konnte es sein, daß er hier frisch und lebendig in
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