Macabros 006: Horror-Trip
»Er hat sich mir anvertraut. Ich
muß ihm helfen.«
Die letzten Worte bekam Oliver Turnborgh noch mit, der in diesem
Augenblick zu sich kam und mehrmals mit den Augen blinzelte, um die
Bilder, die er verschwommen und undeutlich empfing, klarer zu
sehen.
Das Wiedererwachen begann mit neuem Grauen, nichts anderes mehr
schien sein Dasein, das sich von dem Moment an veränderte, als
er das Innere des Totenkopfkreises betrat, für ihn
bereitzuhalten.
Groß und bedrohlich stand der Schwarze Priester ihnen
gegenüber.
»Ein Mensch?« fragte er mit klaren, harten Worten, und
auch Turnborgh empfing die telepathische Ausstrahlung. »Eine
widerliche kleine Wanze, die ich zwischen den Fingern zerdrücken
werde, Lekarim! Sie haben lange genug in Dingen herumgepfuscht, die
Sie nichts angehen. So wie dieses zappelnde Etwas hier, werden auch
Sie enden, Lekarim. Aber erst verraten Sie mir noch Ihre geheimen
Mitwisser. Und die werden Sie mir sagen, davon bin ich
überzeugt.«
Quappa Orgep drückte seine Hand einfach zu. Er zerquetschte
den zu Faustgröße geschrumpften Menschen, ohne mit der
Wimper zu zücken.
*
Oliver Turnborgh stöhnte, er schloß die Augen und
drehte ruckartig den Kopf weg. Er merkte die Übelkeit, die in
ihm aufstieg.
Dann war wieder die Stimme da, die ihn und Lekarim gleichzeitig
erfüllte.
»Dies ist das Zeichen, das ich setze, Lekarim. Wer immer
hierher kommen wird, um Ihre Hilfe in Anspruch zu nehmen, wird auf
solche Weise sterben, Lekarim! Und bei einem wird mir dies eine
besondere Genugtuung sein, Lekarim! Ich weiß, Sie haben
Hinweise dafür erhalten, daß ein Mann Sie aufsuchen wird,
der alles in Bewegung gesetzt hat, um Sie zu treffen. Das ist
Björn Hellmark, Lekarim. Wenn Sie wüßten, was
für ein Fisch uns da ins Netz geht, würden Sie sich
wundern! In der Zwischenzeit wird er wohl schon auf dem Weg nach hier
sein, Lekarim. Er wird sich wundern, wenn ich ihn an Ihrer Stelle
empfangen werde.«
*
Orgep verließ das Labor.
Draußen vor der rätselhaften Basthütte erwarteten
ihn seine ihm persönlich unterstellten Helfer. Quappa Orgep
hatte noch mehr. Als Schwarzer Priester konnte er jederzeit über
soviel Dämonen verfügen, wie er es für richtig
hielt.
Oliver Turnborgh schnaufte schwer. »Ich werd’
verrückt«, stöhnte er. »Vielleicht bin ich es
schon. Was ist das für ein Irrenhaus? Lekarim, was geht hier
vor?«
Seine Lippen zitterten, sie waren bleich. Er riß an seinen
Fesseln. Die breiten Bastfasern waren unnachgiebig.
»Wie kommen Sie hierher und wer sind Sie?« Ajit Lekarim
sprach seinen Leidensgefährten in englisch an.
»Wo bin ich hier? Warum antworten Sie nicht auf meine
Frage?«
»Ich werde Ihnen antworten, sobald ich Näheres über
Sie weiß. Wie ist es passiert? Wie kamen Sie in die vierte
Dimension?«
Oliver Turnborgh glaubte nicht recht zu hören. »Vierte
Dimension?« fragte er ungläubig.
»Die Welt hinter der Realität, ja. Hinter der Wand
dessen, was uns Tag für Tag umgibt, existieren andere Zeit- und
Raumebenen.«
»Und da – soll ich – jetzt sein?« stotterte
Turnborgh. Seine Stimme war sehr leise, sein Gesicht schmerzverzerrt.
Offenbar schnitten ihm die Fesseln ins Fleisch, und der Schlag, den
der Unheimliche ihm versetzte, wirkte ebenfalls noch nach.
»Sie sind nicht der einzige, Mister…«
»Turnborgh.«
»Mister Turnborgh. Zu allen Zeiten verschwanden Menschen
spurlos, man hat sie nie wieder gefunden. In Polizeiarchiven liegen
Akten von Vermißten, über die man nie etwas herausgefunden
hat, Menschen, die einfach untertauchten. Mich hat diese Frage ein
ganzes Leben lang beschäftigt. Ich fragte mich immer: Was ist
aus diesen Menschen geworden? Niemand kann sich in Luft
auflösen. Ich bin vielen Spuren nachgegangen. Hunderten,
tausenden. Vergebens! Eines Tages kümmerte ich mich um das Haus
auf dem Hügel. Dort hatte immer ein alter Mann gelebt. Eines
schönen Tages war auch er verschwunden. Ich wußte,
daß er sein Haus nicht verlassen haben konnte. Das hätte
er mir mitgeteilt, denn dieser alte Mann – war mein Vater. Er
war verschwunden aus seinem Haus, ohne es verlassen zu haben. Das
klingt mehr als unwahrscheinlich, nicht wahr? Also konnte er nur
innerhalb des Hauses verschwunden sein. War ein Mörder gekommen,
hatte er ihn irgendwo verbuddelt? Diesen Gedanken ließ ich
nicht außer acht. Aber nichts wies auf eine solche
Möglichkeit hin. Im Keller fand ich mehrere mit Sanskritzeichen
bekritzelte, eigenartig geformte
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