Macabros 006: Horror-Trip
Steine. Ich wußte, daß
mein Vater, der seit seinem fünfunddreißigsten Lebensjahr
nach dem Tod seiner Frau sich von der menschlichen Gesellschaft
völlig zurückgezogen hatte, um ganz seinem Leben und seinen
Gedanken zu leben, auf der Suche nach der Geisterwelt war, die uns
umgibt, die wir ahnen und die die wenigsten von uns gesehen haben.
Ich habe den Hang zu diesen Dingen offenbar von ihm geerbt, denn
schon als Junge versuchte ich, mit Geistern und Dämonen und
Göttern zu sprechen, Botschaften zu senden und welche zu
empfangen.
Es ist mir nie gelungen! Aber als mein Vater so spurlos
verschwand, da wurde mir klar, daß er die Tür zur
Geisterwelt aufgestoßen hatte. Ich stand vor
unüberwindlichen Schwierigkeiten. Der Kellerraum, den mein Vater
verehrte wie einen Tempel, mußte etwas mit seinem Verschwinden
zu tun gehabt haben. Ich mied es, in das Zentrum zwischen die
beschrifteten und merkwürdig geformten Steine zu geraten. Durch
meine Beschäftigung mit der Geisterwelt wußte ich,
daß bestimmte geometrische Formen und Symbole bestimmte
Geistwesen beeinflussen, rufen oder auch abwehren konnten. Ich
studierte die Anordnung der Steine sehr genau.
Mein Vater hat nie eine einzige Zeile hinterlassen, das erschwerte
die Sache noch mehr. Aber ich kam dahinter, daß ich den
gleichen Weg gehen konnte wie mein Vater, wenn ich gewisse magische
Riten vornahm. Doch mußte ich eine Sicherheit haben: Dahin, wo
viele schon vor mir gegangen und nicht wieder zurückgekommen
waren, wollte ich zwar gehen, aber diesen Ort auch wieder verlassen
können. Hier in der Nähe von Kalkutta – das hört
sich merkwürdig an, nicht wahr? Kalkutta ist in Wirklichkeit nur
einen Schritt entfernt. Und doch trennen uns Welten davon.
In der Welt der dritten Dimension also, um es genau zu bezeichnen,
haben wir in der Nähe von Kalkutta sogenannte Türme des
Todes, auch Türme des Schweigens genannt. Eine religiöse
Gruppe setzt ihre Verstorbenen dort in diesen hochgebauten und oben
offenen Türmen bei. Die Geier kommen und fressen die Kadaver.
Übrig bleiben die Skelette. Eine saubere Art, sich seiner Toten
zu entledigen.
Ich ging von der Überlegung aus, daß Menschen, die ein
heiligmäßiges Leben zu führen versuchen,
widerstandsfähiger gegen satanische Anfeindungen und
dämonische Versuchungen sind.
Meine Kontakte zu dieser Sekte ermöglichten es mir, nach und
nach die Unterarmskelette und Schädel besonders
ausgewählter Menschen in meinen Besitz zu bringen und sie unter
magischen Formeln und Riten im Keller genauso anzuordnen, wie mein
Vater die Steine angeordnet hatte. Die dreizehn Steine selbst
entfernte ich und formierte sie zu einem Halbkreis außerhalb
des kleinen magischen Kreises, den die Schädel bildeten. Die
geöffneten Hände an den ausgestreckten skelettierten Armen
aber wurden zum Symbol des Empfangs. Sie sollten mich
zurückholen aus jenem finsteren Ort, in den ich eindringen
wollte. Dies alles müssen Sie gesehen haben, wenn Sie im Haus
auf dem Hügel gewesen sind.«
Oliver Turnborgh nickte abwesend. »Ja«, murmelte er,
»ich habe das gesehen.«
»Von dort bin ich gekommen wie Sie. Nur mit dem Unterschied,
daß ich dies seit vielen Jahren tue, daß ich angefangen
habe, die Welt hinter den Dingen zu erforschen und hier nach einer
Möglichkeit zu suchen, jenen zu helfen, die unverschuldet in Not
geraten sind.«
»Unverschuldet?« Turnborgh ertappte sich dabei,
daß er anfing, die phantastische Geschichte des Inders ernst zu
nehmen. »Gibt es denn welche, die auch freiwillig hierher
kommen?«
»Solange die Menschheit besteht, gibt es dies. Durch alle
Sagen und Legenden spuken Gespenstergeschichten, wird von
Dämonen, Teufeln und Ungeheuern gesprochen und geschrieben, die
jedoch ins Reich der Märchen verlegt wurden, weil niemand da
war, der dies bestätigte, weil es immer wieder Einzelgänger
gewesen sind, die davon zu berichten wußten. Seit jeher ist das
so. Dann kamen die Hexen, die davon zu berichten wußten,
daß sie auf dem Tanzplatz des Satans gewesen seien. Sie
wußten seltsame, geheimnisvolle und makabre Dinge zu
erzählen. Man suchte diesen Tanzplatz des Satans und man hat ihn
nie gefunden. Doch das konnte man auch nicht! Diesen Tanzplatz hat es
nie in der realen Welt gegeben! Außer den Hexen und Druiden
konnte niemand hin. Ich habe in alten Schriften Hinweise dafür
gefunden, daß besondere Auserwählte, die sich den
finsteren Mächten verschrieben, in den Besitz eines Spiegels
gelangten, der ihnen die
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