Macabros 009: Blutregen
dann wäre es mir vielleicht gelungen, Ihnen den
zweiten Teil des Dramas zu ersparen.«
»Ich weiß nicht, wie Sie das meinen.«
Sie kam näher.
»Denken Sie nicht darüber nach! Die Hauptsache ist, es
ist alles noch gut geworden.«
»Ist es wirklich? Ich kann es kaum glauben.« Sie
richtete den Blick auf das Meer.
»Es kam darauf an, die Ursen hinzuhalten. Ich wußte
nicht, wie lange es noch dauern könnte. Es kam aber nur darauf
an, sie solange von Ihnen fernzuhalten, bis der Fluch sich
völlig löste. Einmal waren Sie fast drüben
gewesen«, sagte Macabros, und er mußte an seine erste, wie
im Traum erlebte Begegnung mit dem Medium denken. »Aber ich kam
dazu, in einem Augenblick, als Sie aus der anderen Dimension
herausglitten, in die Sie durch die Begegnung mit dem freiwerdenden
Ursengeist geschleudert worden waren. Welche geistigen Verbindungen
oder anderen unsichtbaren Strömungen zum Heer dieser
blutgierigen Geister bestanden, entzieht sich meiner Kenntnis. Nur
eines glaube ich klar zu erkennen: Als Sie wieder die reale Welt
erreichten, folgten einige Ursen Ihnen nach. Man wollte sie
endgültig hinüberholen, in jenes andere Reich, in die Welt
des Unsichtbaren, die unsere Augen nicht wahrnehmen. Aber das
mißlang. Dann geschah etwas in ’Cork’s House’
und in der Wohnung von Professor Baring. Der Urse, den Sie, ohne es
zu wollen, aus seinem geistigen Gefängnis befreit hatten, wurde
vernichtet. Durch das magische Zahlenwort. Aber bis das Wort auch auf
die anderen, die Hilfsgeister sich auswirkte, entstand eine
Lücke. Das erkenne ich jetzt. Und es ist gut, daß ich noch
einmal hierhergekommen bin. Die Ursen erhielten die Möglichkeit
nochmals in die diesseitige reale Welt einzubrechen. Sie mußten
unter allen Umständen die Spuren beseitigen. Sie holten ihren
toten Fisch zurück und wollten auch Sie holen, endgültig
und für alle Zeiten. Sie wären für ewig untergetaucht,
und niemand hätte Sie jemals zurückholen können, da
wir alle nicht wissen, welchen Weg man gehen muß, um in die
Welt der Ursen zu kommen.«
Camilla rieb ihre Stirn. »Ich muß darüber
nachdenken. Ich brauche Zeit, viel Zeit, um alles verstehen zu
können.«
»Ja, die braucht man.«
Die Engländerin blickte sich in der Bunde um. Alles war still
und friedlich. Das Meer lag spiegelglatt in der Bucht. Kein Windhauch
bewegte die Luft.
Alles schien nicht gewesen zu sein. Aber da waren die
zerstörten Häuser, da waren die Menschen, die ihre
Angehörigen suchten und den Polizeifahrzeugen und den
Ambulanzwagen entgegenliefen, die plötzlich überall zu
sehen waren.
»Sie kamen aus dem Meer?« Camilla grübelte.
»Und Sie sind überzeugt davon, daß sie nie wieder
kommen – die Ursen?«
»Ich hoffe es. Aber ich weiß es nicht«, gestand
Macabros. »Endrons magisches Zahlenwort hat Erfolg gehabt. Die
Ursen sind weg und mit ihnen ihre Hilfsgeister. Das muß uns
vorläufig genügen.«
»Woher wissen Sie das alles?« fragte Camilla ihn,
während sie nicht von Macabros’ Seite wich. Der hatte sich
in Bewegung gesetzt und ging rasch auf einen der Ambulanzwagen zu, wo
er das Mädchen abliefern wollte.
»Ich weiß es noch nicht ganz genau. Aber ich werde es
bald wissen. Doch das ist nicht mehr meine Sache, Miss Davies.
Dafür ist Björn Hellmark zuständig.«
»Björn Hellmark, wer ist das?«
»Ein guter Freund von mir, Miss Davies.« Macabros
lächelte flüchtig. »Sie werden ihn noch kennenlernen,
sobald Sie wieder in London sind.«
*
»Sie öffnet nicht!« Björn Hellmark stand
einige tausend Meilen von Bangkok entfernt in dem alten Haus in der
Londoner Dean Street.
Die beiden Männer blickten sich an.
Ihr Klopfen und Klingeln war vergebens gewesen.
In der Wohnung rührte sich nichts. Kein Geräusch.
Aber selbst wenn die alte Catherine Muxley schlief, mußte
man doch etwas von den Katzen hören.
»Ich glaube es stimmt, es stimmt alles«, murmelte
Björn, der sich in seinen Überlegungen bestärkt
fühlte.
Aber er wollte es genau wissen. Er holte einen Bobby von der
nächsten Straßenecke.
Baring gab dem Polizisten zu verstehen, daß er mit der alten
Muxley einige wichtige Dinge zu besprechen gehabt hätte,
daß sie jedoch nicht öffne. Und das sei ungewöhnlich.
Er befürchtete, daß etwas passiert sei.
Es war etwas passiert. Das stellte sich heraus, nachdem die
Tür von Amts wegen geöffnet worden war. Die Vorgänge
kosteten etwas mehr Zeit und sie blieben nicht unbemerkt. Fast das
ganze Haus war auf den
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