Macabros 011: Im Leichen-Labyrinth
es nicht Björn. Aber das konnte sie
nicht wissen. Macabros war da! Hellmarks Doppelkörper!
Macabros bückte sich nach dem Messer, näherte sich
Regina und schnitt ihre Fesseln durch. Aufatmend richtete sich das
Mädchen auf.
»Das ist nun das zweite Mal«, sagte sie leise. »So
langsam fange ich an zu glauben, daß Sie mein Schutzengel
sind.«
Er drückte ihr das Messer in die Hand. »Es tut mir leid,
daß ich Sie so lange warten lassen mußte. Ich bin schon
über eine Stunde hier. Ich bin gekommen, als er Sie
fesselte.«
Ihr Gesicht wurde lang.
»Das verstehen Sie nicht. Das kann ich mir vorstellen. Ich
habe alles genau beobachtet und war jede Sekunde auf alles
gefaßt. Ich mußte wissen, was er wirklich im Schilde
führt.«
»Sie – kennen diesen Mann?«
»Ja, flüchtig.« Macabros war ihr behilflich auf die
Beine zu kommen. Sie wankte. Die Fesseln hatten tief in ihr Fleisch
geschnitten und die Durchblutung behindert. »Aber nun ist alles
vorbei, und Sie brauchen keine Angst mehr zu haben. Lassen Sie uns
bitte einen Moment lang allein. Ich habe mit dem sauberen Herrn noch
ein Hühnchen zu rupfen.«
Regina verließ den Raum, während Tschierner sich
aufrappelte.
Macabros ging auf den Eindringling zu.
Tschierner hob den Blick. Seine Augen weiteten sich. Das Aussehen
von Macabros veränderte sich.
Die frische Gesichtshaut nahm eine fremdartige Blässe an. Die
Augen schienen tiefer in die Höhlen zurückzuweichen. Aus
dem Kopf Macabros’ wurde ein Totenschädel!
Aber der Totenschädel entwickelte sich weiter, eine
schreckliche Fratze wurde daraus.
Tschierner sträubten sich die Haare. Seine Haut zog sich
zusammen, ein furchtbarer Schrei entfloh seiner Kehle, und er wurde
herumgewirbelt, als würde eine unsichtbare Hand ihn nach hinten
reißen. Er wälzte sich am Boden wie ein Besessener.
Nur eine Sekunde dauerte dieser Zustand, nur für den
Bruchteil eines Augenblicks war auch auf Macabros’ Gesicht
dieser schreckliche Ausdruck erschienen, als hätte ein
verborgener Projektor sein Gesicht angestrahlt und es
verändert.
Nun war es wieder ganz normal.
Macabros ging in die Hocke und drückte den sich langsam
Beruhigenden herum. »Also doch«, sagte er betont
bedächtig zu Tschierner. »Ich habe es mir
gedacht.«
»Was haben Sie sich gedacht?« Zäh und tropfenweise
kamen die Worte über die bleichen Lippen des zitternden Mannes.
Kalter Schweiß perlte auf seinem Gesicht, und in seinen Augen
war blanke Todesangst zu lesen.
»Sie sind nicht mehr der Franz Tschierner, der aus Leibolds
Wohnung die. Unterlagen gestohlen hat. Als Sie nach Hause kamen,
waren Sie müde und wollten sich schlafen legen. Ihr Kopf steckte
voller neuer Ideen. Aus dem, was Sie gelesen hatten, zogen Sie Ihre
eigenen Schlüsse. Aber dies war nicht alles. Etwas Neues kam
hinzu. Sie gewannen eine Erkenntnis, etwas ergriff Besitz von Ihrem
Geist und machte Ihnen klar, daß Sie Einblick in eine Welt
gewinnen könnten, von der auch Leibold geträumt hatte. Als
Tschierner allein waren Sie zu schwach. Also griff Molochos,
Dämonenherrscher und ständiger Beobachter der Szene auf der
Erde, nach einem Trick. Er benutzte Ihren Geist und Ihren
Körper, indem er einen Dämon schickte, der in Sie
fuhr.«
»Das ist nicht wahr!«
»Soll ich die Maske noch mal aufsetzen?« fragte Macabros
nur. Er wußte, was passieren würde. Tschierner hatte mehr
gesehen als nur den schrecklichen Totenschädel. Nur ein
Dämon sah mehr darin. Die Dämonenmaske, die in diesem
Augenblick Björn Hellmark einige Kilometer weiter in seinem
Zimmer im dunklen, ausgestorbenen Dorfwirtshaus trug, war durch
höchste Konzentration Hellmarks auch auf Macabros’ Antlitz
erschienen. Die ganze Zeit über hatte Hellmark über die
geistige Verbindungsbrücke nur gelauscht, registriert und wollte
allen Eventualitäten gewachsen sein, die auf Regina Tärser
zukommen konnten. Das Leben der jungen Malerin durfte auf keinen Fall
gefährdet sein. Auch Tschierner, in dessen Körper ein
böser Geist hauste, wollte er nicht vernichten.
Der Anblick der Dämonenmaske war für einen Dämon
unerträglich. Was er darin sah, wußte auch Björn
Hellmark alias Macabros nicht.
Nur eines war ihm bekannt: der Anblick wäre furchtbar genug
gewesen, einen Menschen auf der Stelle zu töten.
Dies war eine seiner wirkungsvollsten Waffen im Kampf gegen die
Mächte der Finsternis, im Kampf gegen Molochos.
»Ich habe mir auch Gedanken über die Geschichte gemacht,
Tschierner«, fuhr Macabros fort.
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