Macabros 011: Im Leichen-Labyrinth
»Ich bin zu dem gleichen
Schluß gekommen wie Sie. Es durfte nicht so bleiben, was
Leibold halbfertig zurückgelassen hatte. Die Sache ist nicht
perfekt, es gibt ein Loch im wahrsten Sinne des Wortes. Wo Molochos
Angst und Schrecken verbreiten will, möchte er das
gründlich tun. Sie wollten ins Labyrinth der Leichen,
Tschierner. Nehmen Sie mich mit!«
»Niemals!« Ein vernichtender Blick traf Macabros.
»Gut! Dann die Maske!«
»Nein, warten Sie!« Die Angst in der Stimme war
unüberhörbar.
Der Dämon, in Tschierner gefangen, wehrte sich verzweifelt.
Solange Macabros in der Nähe war, konnte er nicht ausfahren. Er
wußte, daß dies gleichbedeutend war mit seiner
Vernichtung. Der Anblick der Dämonenmaske, dem einzigen
Exemplar, das es auf der Welt gab, würde diesen Geist bannen
können.
»Sie sind hierhergefahren, um Regina Tärser zu
töten«, sprach Macabros.
»Ihr Ziel war das Leichen-Labyrinth. Ich werde Sie begleiten.
Sie werden dorthin gehen ohne jenes dritte Auge, von dem Sie immer
geredet haben und mit dem Sie das Loch, das vom Diesseits zum
Jenseits entstanden ist, flicken wollen. Diesmal hat Molochos einen
Fehler begangen. Er hat sich den falschen Totenbeschwörer
ausgesucht. Alle die Männer und Frauen, die in dieser Stunde auf
dem Weg zum Leichen-Labyrinth sind, werden nicht dort bleiben
können. Ich werde sie zurückholen. Das habe ich mir
vorgenommen, Tschierner!«
»Das werden Sie nie schaffen, nie!« stieß
Tschierner haßerfüllt hervor, und sein Gesicht war eine
einzige abstoßende Fratze.
»Ich glaube, ich weiß jetzt, wie der Karren läuft,
Tschierner, und deshalb habe ich Hoffnung. Die Maske werde ich
mitnehmen. Machen Sie also keinen Unfug.«
Macabros wußte, daß er mit hohem Einsatz spielte.
Aber er mußte an ein bestimmtes Bild denken, das er in der
Kristallkugel gesehen hatte. Alles lief auf einen einzigen Punkt
zu.
*
»Sie brauchen keine Angst zu haben! Es wird Ihnen nichts
passieren, Kommissar.« Die Worte waren freundlich gemeint, aber
sie hörten sich schauderhaft an aus dem Maul des Totenkopfes.
»Einen Moment noch, warten Sie noch einen Moment ab!«
Der Moment dauerte zwei Minuten.
Die abstoßende Gestalt hielt ihn noch immer fest. Mit der
anderen Hand dann griff sie sich an den kahlen Kopf.
Eine Maske?! Weich und knisternd rutschte sie von dem Kopf, der
darunter zum Vorschein kam.
Ein blonder Schopf, ein vertrautes, sympathisches Gesicht.
»Hellmark?!« gurgelte Gerlich. Er konnte esnicht
fassen.
Der Blick des Kommissars ging auf die Rechte, welche die Maske
hielt. Ein Stück Stoff, braun und unauffällig wie ein
Damenstrumpf. Mehr nicht? Er sah Details. Das Licht der
Straßenlaternen schimmerte durch die Fenster.
»Wer sind Sie wirklich? Etwas stimmt doch nicht mit Ihnen?
Was haben Sie vor, was wissen Sie? Wo sind die Menschen aus dem
Dorfwirtshaus?«
Björn erhob sich. Seine Schultern waren leicht gebeugt. Man
sah ihm an, daß er erschöpft wirkte. Gerlich konnte nicht
wissen, auf welche Weise diese Erschöpfung zustande kam.
Björn hielt noch immer seinen Doppelkörper aufrecht.
Seit zwei Stunden konzentrierte er sich ganz auf das Geschehen im
Haus von Regina Tärser, um dahinterzukommen, was Tschierner im
Schilde führte und worüber er Bescheid wußte.
In dieser Zeit waren die wiedererweckten Leichen im Gefolge des
Herrn der Toten aus dem geheimnisumwitterten Leichenlabyrinth
gekommen. Sie hatten die Menschen angegriffen und davon geschleppt.
Björn war gezwungen gewesen, die Dämonenmaske aufzusetzen,
während sein Originalkörper durch die massive Konzentration
an Substanz und Kraft verloren hatte. Normalerweise war es so,
daß im Augenblick des Aufsetzens der Maske auch auf seinem
Kopiekörper dieser Ausdruck erschien und daß dann die
gleichen Stimmungen und Wirkungen nicht ausblieben.
Gerade das aber mußte er diesmal verhindern.
Macabros mußte der unbeobachtete Lauscher bleiben, auf dem
Sprung, Tschierner und dem Dämon in ihm sofort das Handwerk zu
legen, wenn es darauf ankam, aber es wäre falsch gewesen, die
Wucht der Maske spürbar werden zu lassen, noch ehe er
herausgefunden hatte, wie die Dinge im einzelnen bei Regina
Tärser standen.
Er mußte so handeln. Er war ganz auf sich allein
gestellt.
Von niemand konnte er Unterstützung erwarten, denn niemand
konnte sie ihm geben.
»Wollen Sie mich begleiten?« fragte Björn.
»Sie wollen jetzt hinaus?« fragte Gerlich zweifelnd, und
er zählte auf, was er alles gesehen hatte.
»Ich
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