Macabros 014: Knochensaat
gleichen Fehler verfallen und hielt sich
zurück. Auf dem Lagerplatz war etwas geschehen, was er immer
noch nicht begreifen konnte.
Hatte er bisher nur Glück gehabt, daß ihm nichts
passiert war?
Das hier war ein besonderer Ort.
In und um Cholpec herrschten die Geister, existierte der Fluch der
Blutpriester und wartete eine geheimnisvolle Krankheit darauf, ihn zu
vernichten. Von allem war er bisher verschont geblieben.
War das von Bedeutung? Warten die finsteren Geschöpfe und
Mächte, die hier wirkten, nur einen besonders günstigen
Augenblick ab? Er merkte, daß er mit seinen Gedanken nicht
weiterkam.
Das Grauen, das hier existierte, hatte überhaupt keinen
Grund, ihm eine besonders lange Galgenfrist einzuräumen. Fred
Delware hatte es zu einem Zeitpunkt erwischt, als keiner von ihnen
damit gerechnet hatte, daß überhaupt etwas passieren
konnte.
Aber vielleicht gab es doch einen Punkt, der maßgebend war,
daß man ihn bisher verschont hatte.
Er führte dafür sein Aussehen an.
Vielleicht waren die, welche hier verdammt waren, den Schatz zu
schützen, irritiert.
Einer war bereits gekommen, dem die Flucht gelungen war: James
Owen. Und er sah aus wie James, denn James – war niemand anderes
als sein Zwillingsbruder!
*
Er war in Wirklichkeit Jeremy Owen und sah seinem Bruder
ähnlich wie ein Ei dem anderen.
Unmittelbar nach James Owens Rückkehr nach Andover, war
Jeremy informiert worden. James war todkrank gewesen. Seine Tage
waren gezählt. Er hatte den Fluch der Blutpriester, die
Knochensaat, mitgebracht. Auch Diana Owen war davon erfaßt
worden. Mit stoischer Gelassenheit sahen sie ihrem
ungewöhnlichen und unabänderlichen Schicksal in die Augen.
Sie schienen eine ganz eigene Art von Freude dabei zu empfinden, ihn
einzuweihen in ein tödliches Geheimnis und gleichzeitig die Gier
nach dem ungeheuren Schatz in ihm zu wecken.
Er hatte einige Vorsichtsmaßnahmen ergriffen, die notwendig
gewesen waren. Er war im Haus ein und aus gegangen, hatte aber alle
Maßnahmen der Hygiene ergriffen, um sich den tödlichen
Keim vom Hals zu halten. Und das war gelungen. Er hatte den direkten
Kontakt vermieden, er hatte vielleicht auch Glück gehabt. Das
hatte ihn sein ganzes Leben lang nicht im Stich gelassen.
Waren die unsichtbaren Beobachter nun verwirrt?
Je mehr er über sein Vorgehen nachdachte, desto klarer schien
ihm einiges zu werden.
Wer immer hier beobachtete und registrierte, mußte glaubten,
James Owen wäre zurückgekehrt. Das widersprach
natürlich allem, was den Fluch ausgelöst hatte.
Wer mal hier gewesen war, der konnte nie wieder zurückkehren.
Er aber war – für die Unsichtbaren – wieder
zurückgekehrt.
Er sah nicht nur aus wie James, er hatte das gleiche Leben
geführt, und in seinen Adern strömte das gleiche
abenteuerliche Blut. Er hatte sich im »Uxmal« wie James
verhalten und wie sein Bruder auch nur seinen Vornamen mit einem J.
angedeutet.
Und nun hockte er, Jeremy Owen, hier vor dem Eingang des Tempels
und fragte sich, ob die Stunde gekommen war, in der er einzudringen
riskieren konnte.
Es wurde dunkel. Genau dem Eingang gegenüber lag sein Lager,
ein kleines Zelt, ein paar Utensilien, die er brauchte. Zu einem Teil
seines Ichs schien das ständig geladene und entsicherte Gewehr
geworden zu sein.
Auch jetzt trug er es wieder über dem Arm, als er in den
Höhleneingang kroch. Er hatte den Eingang in den beiden letzten
Tagen vom Dickicht und von alten Steinen befreit, so daß das
Loch in den Erdhügel nun ganz deutlich zu erkennen war.
Die ersten drei Meter mußte man auf den Knien rutschen, um
nach innen zu kommen. Doch dann konnte man sich aufrichten.
Mit einem Male wollte er nicht länger warten. Ob es nun Tag
oder Abend oder Nacht war, es blieb gleich, wann er in den
überwachsenen Tempel eindrang. Dort herrschte immer ewige Nacht.
James hatte ihn davor gewarnt, mit Taschenlampen einzudringen. Sie
würden ohne jeden ersichtlichen Grund erlöschen. Nur mit
Fackeln käme man weiter. Elektrische Felder würden
zusammenbrechen. Das müsse mit den besonderen Bedingungen
zusammenhängen, die im Innern des Tempels herrschten.
Er wollte es jetzt wissen. Zwei Tage der Überlegung und
Zurückhaltung waren genug.
Er hatte sich kurz vorher einen starken Tee überbrüht
und schrieb seine merklich angekurbelte Aktivität diesem Trank
zu.
Egal wie immer es auch war: Ein Zurück gab es für ihn
nicht mehr. Gründlich hatte er es sich überlegt. Wie sein
Bruder James so war auch er
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