Macabros 014: Knochensaat
Privatwagen auf dem Krankenhausparkplatz. Vor der Ambulanz
parkte ein Rotkreuz-Fahrzeug.
Macabros ging Zunächst ins Hauptgebäude.
Hier fiel er am wenigsten auf. Um diese Zeit gab es noch Besucher,
die später gekommen waren und die Sondererlaubnis hatten,
länger zu bleiben.
Das war besonders dann der Fall, wenn die Patienten schon so weit
genesen waren, daß sie das Krankenzimmer verlassen durften.
Besucher und Patienten saßen in den Flurnischen, wo kleine
Tische und Sitzgelegenheiten bereitstanden.
Macabros passierte den großen Hauptgang. Hier hing auch die
Informationstafel, und er konnte ihr entnehmen, wo die Isolierstation
sich befand.
Sie zu finden bereitete keine Schwierigkeit. Aber er konnte nicht
einfach dort durch eine Tür gehen und eindringen. Das war das
Problem.
Die Station war hermetisch von der anderen abgetrennt, das
Personal, für Wochen eingesperrt, mußte mit den Patienten
den Verlauf der Krankheit abwarten.
Pockenfälle sollten hier angeblich untergebracht sein. Drei
Erkrankungen. Das war die Familie Aigens.
Dorothy Aigens hatte direkten Kontakt zu dem seltsamen Mann
gehabt.
Aber so, wie man den Fremden beschrieben hatte, war er nicht an
Pocken erkrankt gewesen, sondern an etwas gänzlich
Undefinierbarem.
Nun, bald würde er, Macabros, mehr wissen…
Besucher waren in der Station nicht erlaubt. Er mußt sich
etwas anderes einfallen lassen.
Er ging noch mal nach draußen. Im Dunkeln lief er den
flachen Anbau entlang, in dem die Isolierstation untergebracht
war.
Er entdeckte Silhouetten hinter den geschlossenen Fenstern,
stellte sich auf einen Mauervorsprung und stieg an der Wand empor,
ohne sich an dem Fenster, hinter dem gesprochen wurde, sehen zu
lassen.
Dort saß eine Schwester an einem Schreibtisch und machte
Eintragungen in ein Buch.
Der Zufall kam Macabros zu Hilfe.
Genau dem Raum gegenüber lag ein Zimmer, das nicht mit einer
normalen Tür versperrt war. Da auch die Tür zum
Schwesternzimmer weit offen stand, konnte man durch die Glaswand
drüben genau sehen, was sich dort abspielte.
In dem großen Zimmer hielten sich zwei Personen auf.
Ein Mann und eine Frau.
Die Aigens?
Mr. Aigens blätterte in einem Magazin, seine Frau saß,
den Rücken der Glaswand zugewandt, am gleichen Tisch und schrieb
etwas. Vielleicht einen Brief, vermutete Macabros.
Von der Seite her fiel Schatten auf die Glaswand. Ein Mann in
weißem Kittel, eine Spritze in der Hand, kam ins Blickfeld.
Der Arzt blieb kurz am Tisch stehen, sagte etwas zu dem Paar und
ging dann zu der Glaswand. Erst jetzt sah Macabros, daß das
Zimmer auf der anderen Seite des Flurs zwei Glaswände hatte und
daß zwischen diesen beiden Wänden ein Hohlraum bestand,
der als Schleuse benutzt wurde.
Ultraviolettes Licht brannte.
In der Schleuse warf der Arzt die Spritze in einen Behälter
und legte auch seine Kleidung ab. Es handelte sich um Einmalkleidung,
die ebenfalls in einem Abfalleimer verschwand.
Der Arzt kam in das Zimmer, in dem die Schwester noch immer mit
ihren Eintragungen beschäftigt war. Macabros zog den Kopf ein
wenig zurück, um von dem Mediziner nicht gesehen zu werden.
»Wie sieht’s aus, Doktor?« vernahm er die sanfte
Stimme der Krankenschwester.
Dr. Hiller atmete tief durch und zündete sich eine Zigarette
an. »Es schreitet fort. Wir können es nicht aufhalten,
solange wir nicht wissen, was es ist. Bei Mrs. Aigen geschieht es
noch am langsamsten, aber wer weiß…«
Plötzlich gellte ein Schrei aus dem Zimmer der Aigens.
Dr. Hiller wirbelte herum. Macabros’ Kopf schoß
ruckartig nach vorn, und die Schwester sprang auf.
Sie nahmen dem Beobachter einen Teil der Sicht, aber der sah
trotzdem noch genug.
Mr. Aigen war aufgesprungen.
Seine rechte Hand krallte sich klappernd um die Tischplatte. Eine
Hand, an der es kein Fleisch mehr gab!
Aber nicht deshalb schrie er so erschrocken…
Er starrte auf seine Frau, die ihm gegenübersaß.
Ungläubiges Erstaunen und nacktes Entsetzen stand in diesem
Blick.
Elena Aigens sprang auf. Ihre Hände fuhren unwillkürlich
ins Gesicht.
»Jetzt ist’s passiert!« entfuhr es Dr. Hiller.
»Sie muß einen neuen Schub bekommen haben.«
Der Kopf Elena Aigens flog herum.
Macabros mußte sich weiter nach vorn beugen, um mehr zu
sehen. Doch was er sah, elektrisierte ihn.
Die Frau war halb Mensch – halb Tod. Eine Gesichtshälfte
war glatt und schön, die andere zeigte alle Merkmale eines
Skeletts. Keine Haar mehr, keine Augen… Dunkel und leer starrte
die
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