Macabros 014: Knochensaat
die dunklen Möbel kamen trotzdem
regelrecht auf ihn zu. Es waren zu viele.
Auf einem großen Eßtisch in der Fensternische stand
eine Tischlampe, deren Schirm mit einem dunkelroten Stoff bespannt
war, der aussah wie Samt.
Phil Anderson erkannte im ersten Moment die Gestalt nicht, die am
Kopfende des Tisches saß und die Lampe so dicht vor sich stehen
hatte, daß er kaum das Gesicht erkannte.
Komisch war die Situation schon, und er konnte sich eines gewissen
Unbehagens nicht erwehren. Er wollte auf den Tisch zugehen, um die
Gastgeberin besser zu sehen.
»Nehmen Sie da vor mir Platz, Mister Anderson«, hielt
sie ihn auf. »Es ist vielleicht besser, Sie kommen mir nicht zu
nahe. Ich bin für einen Mann nicht gerade ein erfreulicher
Anblick. Ich wurde in den letzten Wochen mit einem Präparat
behandelt, das unangenehme Nebenwirkungen hat. Ich habe einen
furchtbaren Ausschlag bekommen. Ich werde Ihnen gern sagen, was Sie
wissen wollen – vorausgesetzt, ich kann es –, und Sie
werden dafür ein wenig Rücksicht walten lassen.
Einverstanden?«
»Gern, Mistress Owen, wenn Sie das so wünschen«,
antwortete der Gast mechanisch, obwohl ihm etwas ganz anderes auf der
Zunge lag.
Hier stimmt doch etwas nicht!
Mißtrauisch ließ er den Blick kreisen. Hier wurde doch
irgendein Spielchen getrieben, das er noch nicht
durchschaute…
Diana Owen wollte von irgend etwas ablenken.
Tatsächlich nur von ihrer Krankheit? Die Dame war angeblich
gelähmt, hatte einen Ausschlag – vielleicht war sie auch
nicht mehr ganz richtig im Kopf? Oder wollte sie von etwas anderem
ablenken, von ihrem – Mann vielleicht?
Sein Gedankenkarussell, einmal in Fahrt geraten, kam nicht mehr
zum Stillstand.
James Owen war irgendwo gewesen. Hatte er wirklich die Pocken
mitgebracht? Oder vielleicht die Pest?
Blitzschnell ging ihm alles durch den Kopf. Seit fünf
Sekunden stand er neben dem Stuhl, um sich daraufzusetzen,
zögerte aber noch.
»Sie haben nach meinem Mann gefragt?« sagte da die
schwache Stimme hinter der Lampe. »Er wird nicht mehr kommen,
nie wieder – obwohl er hier ist, überall, verstehen
Sie?«
Die Frau war verrückt…
Er zuckte zusammen und sah die Bewegung hinter der Lampe. Eine
Hand kam in den rötlichen Lichtkreis.
Eine weiße, blanke Knochenhand! Sie hielt einen schwarzen
Revolver!
Es krachte.
Die Mündungsflamme zuckte aus dem Lauf.
Anderson schrie gurgelnd auf und preßte beide Hände
gegen den Leib.
Er war getroffen!
*
Ein zweiter Schuß krachte.
Fünf Sekunden, die zu einem Alptraum wurden, taumelte er nach
vorn und drehte sich um die eigene Achse.
Die zweite Kugel bohrte sich in seinen Körper. Mit weit
aufgerissenen Augen starrte er auf das Etwas, das hinter der Lampe
hockte.
Ein drittes Mal krachte die Waffe, aber die Kugel jagte gegen die
Decke, als würde der unheimlichen Schützin plötzlich
die Arme emporgerissen.
Anderson fiel auf den Tisch. Seine Hände griffen nach der
Tischdecke. Mit seinem Körpergewicht riß er sie mitsamt
der Lampe herab.
Ein Aufschrei mischte sich in sein dumpfes Stöhnen.
Er registrierte noch, daß da jemand im Zimmer war, der
irgend etwas Längliches, Weißes in die Höhe
riß, das aussah wie ein zerschmelzendes Skelett.
Dann kam der große Sturz in die endlose Tiefe, wo die
Geräusche verstummten und die Bilder verflogen…
*
Macabros war gekommen.
Wie ein Spuk erschien er in der Wohnung. Draußen hatte er
Phil Andersons Wagen bemerkt, dann die Schüsse gehört. Da
war der Doppelkörper Björn Hellmarks aufgetaucht.
Blitzschnell hatte er eingegriffen, als er erkannte, daß
Phil Anderson in eine Fall gegangen war und sein Leben auf dem Spiel
stand.
Zwei Kugeln hatten den Engländer getroffen.
Macabros ließ die dürre Gestalt, der er die Waffe aus
den Knochenfingern geschlagen hatte, einfach zusammenfallen. In dem
dunklen Umhang, den die Figur trug, die sich als Mrs. Owen
vorgestellt hatte, steckte ein Skelett ohne Haar und Haut.
Mit einem Satz war Macabros über dem Tisch und beugte sich
über den Reporter.
Lebte Phil Anderson noch?
Der Engländer lag mit dem Gesicht auf dem Fußboden.
Macabros wollte den Reporter umdrehen, als er zusammenzuckte.
Er durfte ihn nicht berühren! Er hatte das Skelett
angefaßt… Die Gefahr, daß er den gefährlichen
Krankheitskeim, der Menschen zu Skeletten machte, weitergab, war
groß.
Er konnte Anderson infizieren, und wenn der Reporter noch mal
davonkam, war das Risiko groß, daß er an der
Weitere Kostenlose Bücher