Macabros 015: Phantoma - Tochter der Finsternis
Eimer«, meinte Joe.
Er war der jüngste der Gruppe. Er trug das Haar schulterlang,
war dunkelblond und hatte ein stilles, rundes Gesicht, zu dem das
wildwuchernde Haar nicht so richtig paßte. Ihn konnte man sich
gut in einem feingebügelten Anzug vorstellen, mit weißem
Hemd und Krawatte als geschniegeltes Bübchen. Aber genau das
wollte er nicht.
Er machte auf Gammel-Look. Diese Mode gefiel ihm.
Joe Blade kroch unter den Wagen, Jack fingerte unter der
aufgeklappten Motorhaube rum, und May versuchte, das klapprige
Gefährt zu starten.
Auf halbem Weg nach Glenas war der Citroen stehengeblieben.
»Der Motor gibt keinen Mucks mehr von sich«, meldete
May. Die strohblonde Engländerin, deren Vater aus Holland
stammte, rümpfte die Nase, drehte erneut den
Zündschlüssel und gab Gas. Es knackte nicht einmal.
Trotz der unerwarteten Situation war keiner nervös oder
ungeduldig. Sie hatten Zeit. Allerdings hatten sie gehofft, heute
noch nach Glasgow zu kommen. Doch erstens kommt es anders, und
zweitens als man denkt.
Der 2 CV hatte seinen Geist aufgegeben.
»Vielleicht hat er kein Benzin mehr!« Evelyn schraubte
den Verschluß ab.
Benzin war da.
Die Stimmung war famos. Es wurde gescherzt und gelacht, und jedem
fiel etwas anderes ein.
Der 2 CV wurde kurzerhand seitlich in einen Waldweg geschoben.
»Hier schlagen wir unser Lager auf«, schlug Jack vor und
deutele auf eine besonders schöne Lichtung.
»Girls, macht euch bereit!«
»Kaum sieht er einen Wald, kommt er schon wieder auf lustige
Gedanken«, beschwert sich Lys. Sie war ganze achtzehn und damit
ein knappes Jahr älter als Joe.
»Ich denke nicht was du denkst«, meckerte Jack.
»Erst die Arbeit, dann das Spiel. Wir bauen die Kiste
auseinander, und ihr baut die Zelte auf.«
»Das ist Männerarbeit«, kam es von May.
»Wir leben im Zeitalter der Gleichberechtigung, May«,
sagte Jack, während er sich eine Zigarette zwischen die
Zähne klemmte.
»Was haltet Ihr davon, wenn wir mit dem Zeltaufbau
warten?« schlug Evelyn vor. »Vielleicht kriegt ihr die
Kiste wieder hin, und wir kommen doch noch mit Volldampf nach
Glasgow.«
Jedermann wußte, was mit Volldampf gemeint war. Die Ente
machte achtzig Spitze.
»Heute nicht mehr, ausgeschlossen«, schüttelte Jack
Brown den Kopf. »Wir bleiben heute nacht hier.«
Sie kamen überein, das beste aus der Situation zu machen.
Die beiden männlichen Teilnehmer der Reise waren damit
einverstanden, daß sie noch einmal ihr gesamtes technisches
Wissen in die Waagschale werfen sollten, um die Ente wieder
flottzukriegen, während sich die Mädchen ein bißchen
die Füße vertreten wollten.
»Ein Waldspaziergang tut uns jetzt gut«, meinte die
hübsche Lys. Sie war schmal, trug Pagenfrisur und als einzige
einen Rock, der ihre langen, wohlgeformten Beine voll zur Wirkung
brachte. »Schließlich mußten wir zu dritt auf dem
Rücksitz hocken. Da kannst du dir vorstellen, daß wir ein
bißchen eingeschrumpft und zerknittert sind. Sobald wir unsere
Falten ausgeschüttelt haben, kommen wir wieder. Dann werden wir
sehen, was ihr geleistet habt.«
»Soll das eine Beschwerde sein?« fragte Jack Brown.
»Vorhin habe ich nichts davon bemerkt. Solange du auf Joes
Schoß gesessen hast, muß dir das Beengte recht gut
gefallen haben.«
»Komm, wir gehen«, lachte May und hakte Lys und Evelyn
kurz entschlossen unter. »Wir sehen uns mal um, wie’s
weiter hinten aussieht. Vielleicht finden wir eine Tankstelle oder
Reparaturwerkstätte, Jungs. Wie heißt’s doch so
schön da vorn? ’Nur für Forst- und landwirtschaftliche
Fahrzeuge’. Die müssen doch auch irgendwo auftanken, nicht
wahr?«
»Paßt auf euch auf!« rief Joe ihnen nach.
»Man weiß nie, was hier alles so lauert. Vielleicht
gibt’s Räuber.«
»Dann haben wir’s endlich mal mit richtigen Männern
zu tun«, rief Evelyn zurück.
»Oder Schlangen!«
»Puh, hör mir nur auf damit!« schüttelte sich
Lys. »Du weißt genau, wenn ich das Wort Schlangen nur
höre, wird es mir schon schlecht.«
*
Der Pfad war mit Gras und Moos überwachsen und lief
schräg auf den Hauptweg zu, wo sie den 2 CV abgestellt
hatten.
Die drei Mädchen unterhielten sich, sprachen über dies
und jenes, nichts Wichtiges.
Bei einer uralten Eiche hockten sie sich ins Gras nieder.
Evelyn lehnte ihren Kopf an den Stamm, May streckte sich aus, und
Lys, ganz außen am Stamm, beobachtete eine rote Waldameise, die
für ihre Größe eine gewaltige Last mit sich
schleppte, wieder verlor,
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