Macabros 018: Knochentunnel in das Grauen
anders,
und eisiges Grauen packte sie.
»Henry!« rief sie dumpf.
Ihr Mann blickte nicht zum Fenster. Sein Gesicht schimmerte bleich
im Mondlicht, war ihr zugekehrt und blickte sie oberhalb der
Schulterblätter verkehrt herum an!
*
Sein Kopf war um 180 Grad verdreht, der Anblick so furchtbar,
daß ihr Nackenhaare sich sträubten.
»Henry!« entrann der Schrei ihren Lippen, in Panik
strampelte sie die Decke zurück und sprang aus dem Bett.
»Tkom jorp unak frak«, flüsterten die bleichen
Lippen in dem umgedrehten Kopf.
Dunkle Augen blitzten sie an, und das geisterhafte Mondlicht
ließ die schrecklichen Züge eines veränderten,
teigigen Gesichts erkennen.
Das war nicht mehr Henry! Dort im Bett neben ihr saß ein
fremdes, abstoßendes Wesen.
Eve Bingham warf sich der Tür entgegen.
Nichts wie raus hier aus diesem verhexten Zimmer.
Doch in ihrer Erregung schaffte sie es nicht gleich, den
Schlüssel umzudrehen. Er rutschte aus dem Loch und entfiel ihren
zitternden Fingern.
Der Schatten fiel über sie.
Die junge Frau wurde von harter Hand herumgerissen. Glühende
Augen starrten sie an. Eve erschauerte und schrie
markerschütternd.
Nie zuvor hatte sie solche bezwingenden, furchtbaren Augen
gesehen.
Dunkelgrün, in der Mitte eine leuchtend gelbe Iris.
Ein teuflisches Wesen fiel über sie her.
Eve Bingham schlug um sich und schrie um Hilfe.
Sie erhielt zwei Schläge mitten ins Gesicht, daß sie
gegen die Wand taumelte.
»Henry«, gurgelte sie. »Henry! Was ist nur los mit
dir? Warum schlägst… du mich?«
Er riß sie an sich. Ihr Nachthemd ging von oben bis unten
entzwei.
Tierische, unartikulierte Laute kamen über die Lippen des
Mannes, der sie zum Traualtar geführt und ihr ewige Treue
versprochen hatte.
»Henry! Neiiin!« Seine Hände kratzten wie die
Pranken eines wilden Tieres über ihren glatten, makellosen
Körper. Blut sprang aus den Wunden.
Eve Bingham wehrte sich verzweifelt.
Henry Jake hatte endgültig den Verstand verloren. Nicht nur
sein Wesen hatte sich von Grund auf verändert, sondern auch sein
Aussehen.
Er wirkte wie eine Bestie. Wild hing das Haar in seiner Stirn.
Das teigige Gesicht, das sie nach dem Aufwachen zuerst
wahrgenommen hatte, war verschwunden.
Stühle fielen um, der Tisch verrückte, der Ascher kippte
vollbeladen auf den Teppich.
Henry Jake Bingham lachte häßlich. Rauh brach dieses
Lachen aus seiner Kehle hervor.
Plötzlich draußen auf der Treppe Schritte.
Eve Bingham bekam sie nicht mehr mit. Sie war zu einem Spielball
in den Händen ihres rasenden, teuflisch veränderten Mannes
geworden.
»Hallo? Mister Bingham?« rief eine Stimme von der
Tür her.
Der Lärm im Zimmer hatte Leopold Manstein, den Inhaber des
Hauses, auf den Plan gerufen.
Der Fünfzigjährige begegnete in dieser Nacht dem
personifizierten Grauen.
Die Tür flog auf.
Manstein riß die Augen auf. Er prallte zurück.
»Was…?«
Hände wie Pranken packten ihn und rissen ihn ins Zimmer.
Er erhielt einen Faustschlag ins Gesicht. Der Kopf flog
zurück. Der Überraschte taumelte und konnte sich nicht mehr
auf den Beinen halten.
Ein Schatten sprang über ihn hinweg. Wie in Trance bekam er
das Geschehen noch mit.
In seinen Ohren rauschte es, er merkte, daß Blut in sein
Gesicht tropfte. Eine Augenbraue war ihm von spitzen
Fingernägeln förmlich herausgerissen worden und hing wie
eine dunkle Raupe von seiner Stirn herunter.
Henry Jake Bingham stürzte aus dem Zimmer, hinaus auf den
Flur und über die Treppe. Der Lärm hatte einige
Hotelgäste aus den Betten gelockt.
Auch unten aus dem Gastraum kamen welche heraus und sahen den
hageren Mann mit den teuflischen Augen und dem verzerrten Gesicht die
Treppe herabjagen.
Frauen schrien. Die Erscheinung schockte sie. Wie ein Wirbelwind
fuhr Henry Jake zwischen die Anwesenden. Menschen stürzten zu
Boden. Ehe sie wußten, wie ihnen geschah, war der Spuk
vorüber.
Die Tür flog ins Schloß. Der Unheimliche verschwand
draußen in der Nacht. Der Motor seines Wagens sprang an, und
mit quietschendenPneus und ohne die Scheinwerfer
einzuschalten, jagte Henry Jake Bingham davon.
*
In der Hotelpension Leopold Mansteins herrschte heilloses
Durcheinander.
Gäste hatten sich in ihre Zimmer eingeschlossen, andere
standen diskutierend beisammen, einige drohten mit der Abreise.
Verstört und totenbleich taumelte Leopold Manstein aus dem
verwüsteten Zimmer die Treppe hinab.
Auf Fragen gab er keine Antwort.
Seine Frau stand hinter der
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