Macabros 018: Knochentunnel in das Grauen
plötzlich
stießen, eine Karte anzufertigen. Er wollte erkennen, ob die
Schächte in einem ganz bestimmten System zueinander lagen. Sie
waren sternförmig angeordnet, und der Schacht, in den Pepe
gefallen ist, liegt genau im Mittelpunkt dieses angenommenen Sterns.
Mit dem Schacht hat es seine besondere Bewandtnis. Görtzner
schreibt in seinen Aufzeichnungen, daß sie bereits bis auf eine
Tiefe von hundert Meter vorgedrungen wären.«
Carminia Brado zuckte zusammen. »Aber…« Weiter kam
sie nicht. Ungläubig blickte sie auf den Freund. Der Gedanke,
der ihr gekommen war, war so absurd, daß sie es nicht wagte,
weiterzusprechen.
Björn nickte. »Du liegst richtig mit deinem
Verdacht«, sagte er, als könne er Gedanken lesen. »Wir
haben die Gesteinsmassen, die Pepe angeblich in die Tiefe gerissen
haben sollen. Das ist ein Widerspruch. Nach Görtzners
Aufzeichnungen sind diese Schuttmassen längst weggeschafft
worden. Es gibt, zwei Möglichkeiten: entweder wir sehen nun
Dinge, die es gar nicht gibt, und die ganzen Steine und der Schutt,
der bisher herausgeschafft wurde, ist in Wirklichkeit gar nicht
vorhanden, oder Professor Görtzner ist einem Irrtum zum Opfer
gefallen und die Meßangaben, die er hier macht, stimmen
überhaupt nicht. Eines jedenfalls ist klar: der Stollen, der uns
solche Aufregung bereitet, zieht die Aufmerksamkeit auf sich. Dieser
Stollen wurde zuerst entdeckt, als ein Mitarbeiter Görtzners,
Hans Bernteis, das Auge des Schwarzen Manja fand. Von diesem
Augenblick an ist etwas in Bewegung geraten. Görtzner ist tot,
Kolwalski wurde veranlaßt, das Auge und die Aufzeichnungen zu
stehlen, und die Dämonen, die sich in ihn einnisteten, haben ihn
derart erschreckt, als sie ausführen, daß er erst mal das
Weite gesucht hat. Alle diese Dinge haben sich nachweislich nach dem
Fund ereignet. Pepe verschwand, und es ist noch etwas, was mir zu
denken gibt.«
»Was, Björn?«
Hellmark blickte zunächst auf Carminia, dann auf Rani.
»Die Reaktion des jungen Mannen, der zu euch stieß, kurz
nachdem Pepe verschwunden war.«
Mahay nickte. »Der verrückte Engländer.«
»Warum machte er eine so merkwürdige Bemerkung? Ein
Turm? Wieso hat er plötzlich einem Turm gesehen? Wenn hier alles
schiefgeht, muß ich versuchen, diesen Mann zu finden, der seit
Pepes Verschwinden ebenfalls wie vom Erdboden verschluckt
ist.«
*
Aber Henry Jake Bingham war nicht vom Erdboden verschluckt.
Gemeinsam mit seiner jungen Frau hatte er Unterkunft in der
Hotelpension Leopold Mansteins gefunden.
Das Paar erhielt Zimmer 26 im zweiten Stock.
Eve Bringham sah niedergeschlagen und traurig aus. »Du hast
dich vorhin Unmöglich benommen«, sagte sie. Es waren die
ersten Worte, die über ihre Lippen kamen, seitdem ihr Mann
beinahe fluchtartig die Stelle verlassen hatte, an der das
Unglück geschah.
Henry Jake Bingham kaute auf seiner Unterlippe herum. Sein Blick
war unstet. »Unmöglich? Wieso?« Er schien sich an
nichts mehr zu erinnern. »Ich weiß gar nicht, was du von
mir willst.«
Eve Bingham löste den Verschluß ihres BH, fuhr sich mit
beiden Händen durch das lockere, gepflegte Haar, löste
langsam den Blick von ihrem Spiegelbild und sah ihren Mann aus
dunklen, traurigen Augen an. »Du machst mir Angst, Henry. Etwas
stimmt nicht mit dir. Seit einigen Tagen bist du so anders.«
»Ich bin, wie ich immer bin«, antwortete er gereizt.
»Genau das ist nicht der Fall«, widersprach sie. Eve war
einen Kopf kleiner als der hochgewachsene, hagere Henry Jake Bingham.
»In dem Moment, als du zum ersten Mal von den
Ausgrabungsarbeiten hörtest, warst du plötzlich wie
besessen. Du mußtest hierher.«
Er nickte. »Das stimmt. Es zog mich hierher. Ich wollte diese
Stätte kennenlernen, obwohl ich sie…« Er unterbrach
sich erschreckt, als hätte er etwas gesagt, was besser nicht
über seine Lippen gekommen wäre.
»Obwohl du was, Henry?« hakte Eve Bingham sofort
nach.
»Nichts, es ist wirklich nichts.«
»Du lügst, Henry. Hängt es mit dem – Turm
zusammen, den du gesehen hast?«
Sie nahm seinen Kopf in beide Hände und drückte ihn zu
sich herum. Er versuchte ihrem Blick auszuweichen. »Wie war das
mit dem Turm? Wieso hast du plötzlich davon gesprochen? Was hat
das mit dem Jungen zu tun, der in den Stollen gestürzt
ist?«
»Mit dem Jungen – nichts. Nur plötzlich waren sie
da, die Bilder. Ich sah die Straßen, die gewundenen Türme,
so hoch und spitz ragten sie in einen blauen, wolkenlosen Himmel.
Ganz klar sah
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