Macabros 019: Im Schlund der Höllenschlange
Hellmark
saß hinter dem Steuer seines Leihwagens.
»Komm, Vater! Wir dürfen nicht länger
warten.«
»Ja, da hast du recht.«
Alan Kennan machte bereits einen Schritt zur Seite Richtung
Tür. Benjamin Kennan war mit einem schnellen Schritt neben
ihm.
Seine Rechte zuckte hart durch die Luft. Alan Kennan wurde voll
ins Genick getroffen. Sein Kopf flog ruckartig zurück.
Benjamin Kennan zog mit der Rechten das Gesicht seines Sohnes ganz
herum und schoß seine Linke ab. Voll traf sie den obligaten
Punkt am Kinn.
Ohne einen Laut von sich zu geben, sackte Alan Kennan in die
Knie.
»Tut mir leid«, murmelte der Alte, sich seine Faust
massierend. »Es mußte sein. Wahrscheinlich hättest du
nicht anders gehandelt, wenn du an meiner Stelle
wärst.«
Er zog den schlaffen Körper schnell auf die Seite. In
Ermangelung an festen Schnüren drehte er kurzerhand ein Bettuch
zusammen und schlang es um Alan Kennans Leib, band ihm die Arme auf
den Rücken, die Füße zusammen und fesselte ihn an das
eiserne Bettgestell neben dem Fenster.
Zum Abschluß steckte er ihm einen Knebel in den Mund und
streichelte seinem bewußtlosen Sohn zärtlich über den
Kopf. »Lieber einen blauen Fleck am Kinn und nachher – nach
dem Aufwachen – einen Brummschädel, als überhaupt
keinen mehr, Alan.«
Elastisch sprang Benjamin Kennan auf die Füße. Er lief
zur Tür, riß sie auf und eilte auf Zehenspitzen die Treppe
hinab.
Er vernahm das sich entfernende Motorengeräusch. Björn
Hellmark verließ die Farm. Genauso hatte er es in der letzten
Nacht geträumt. Und noch mehr. Aber darüber hatte er mit
Hellmark noch nicht gesprochen.
Erstens hatten sie sich heute den ganzen Tag nach der Beerdigung
kaum zu Gesicht bekommen, und zweitens hafteten nicht jedem Traum
präinuntiative Eigenschaften an. Was er geträumt hatte,
konnte ebensogut ein Produkt seines Unterbewußtseins sein, das
die Eindrücke verarbeitete. Ganz sicher war er sich da diesmal
nicht, und so hielt er lieber seinen Mund. Es war zu ungeheuerlich
und zu unwahrscheinlich als daß sich das erfüllen
könnte, was er im Traum gesehen hatte. Es sei denn sein toter
Freund Richard hätte die Wächter der Hölle
persönlich beschworen und gerufen. Aber das war natürlich
Unsinn.
Doch Vorsicht war angeraten. Das Verhalten Alans bewies, daß
er eine ähnliche Erfahrung gemacht hatte. Sein Sohn hatte sein
Talent geerbt. Benjamin Kennan wußte nicht, ob er traurig oder
froh darüber sein sollte.
Er eilte aus dem Haus. Im Schuppen stand ein alter Pritschenwagen.
Kennan hatte sich in weiser Voraussicht von Anne Lowestone die
Schlüssel für diesen Wagen geben lassen, um damit die
Umgebung zu erkunden und vor allen Dingen: um im Notfall auf ihn
zurückgreifen zu können, wenn es schnell gehen
mußte.
Es mußte schnell gehen. Die Dinge spitzten sich zu, und ein
Mann, der seiner Ahnung folgte, wußte nicht, daß er sich
in tödliche Gefahr begab.
Hydra, die Höllenschlange, war auf die Erde gekommen!
Er, Kennan, hatte sie im Traum gesehen…
*
Mit fahrigen Fingern riß er die Tür auf und klemmte
sich hinter das Steuer. Er startete und stieß den
Pritschenwagen zurück. Der Motor knatterte wie der eines alten
Motorrades.
Er gab Gas. Erdschollen wurden in die Höhe geschleudert. Drei
Sekunden lang stand der Wagen und Kennan trat die Kupplung durch, um
den Vorwärtsgang einzulegen.
Im gleichen Augenblick wurde die Tür zum Beifahrersitz
aufgerissen.
Benjamin Kennan stockte der Herzschlag. »Señorita
Brado?!« Die hatte er ganz vergessen. Der Brasilianerin war
seine übereilte Abfahrt nicht entgangen.
»Richtig, Mister Kennan.« Sie zog sich in das
Führerhaus und knallte die Tür zu.
»Aber was soll das?«
»Sie sind doch hinter Hellmark her, nicht wahr?«
»Ja. Aber… woher wissen Sie…«
»Das war kein Kunststück, es herauszufinden. Kaum war
Björn davongefahren, sah ich sie aus dem Haus und in den
Schuppen laufen. Warum sind Sie hinter ihm her?«
»Ich weiß etwas… nein, das heißt: ich ahne
etwas. Ich muß ihn warnen.«
Carminia hielt den Atem an. »Er begibt sich in
Gefahr?«
»Ich glaube ja.«
»Dann fahren Sie los, Mister Kennan.«
»Das geht nicht.«
»Warum nicht?«
»Weil Sie…«
»Weil ich dabei bin?« fiel sie ihm ins Wort.
»Ja.«
»Das verstehe ich nicht.«
»Ich kann Sie nicht mitnehmen. Wenn ich Ihrem Freund helfen
soll, dann bitte, gehen Sie!«
»Ich komme mit.«
Kennans Lippen zitterten. Er warf einen Blick auf seine Faust. Er
hatte
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