Macabros 031: Der Schreckliche aus dem Totenbrunnen
kehrte dann
müde und abgeschlagen ins Haus zurück.
Aber er konnte sich noch keine Ruhe gönnen. Er schaltete
sämtliche Lichter an und begann die Spuren des Mordes zu
beseitigen. Er entfernte das Blut, reinigte die Sperrspitze und den
Schaft, säuberte die Maske, an der ebenfalls Blutspritzer
hafteten. Und ging sogar so weit, etwas Farbe aufzutragen, um seine
Auskünfte, die er dem Dicken gegenüber gemacht hatte, auf
diese Weise zu untermauern.
Nach getaner Arbeit inspizierte er noch mal den Tatort und fand,
daß nichts mehr an den Vorgang erinnerte.
Noch in der gleichen Nacht packte er und verglich die Liste, die
er zusammengestellt hatte; alle Dinge, die er unbedingt dabei haben
mußte, hakte er ab.
Die Ausrüstung für die Expedition lagerte schon seit
einem Vierteljahr in San Felipe. Dort angekommen, brauchte er die
Dinge nur abzurufen.
Olsen ging spät ins Bett und fand keine Ruhe; er wälzte
sich von einer Seite auf die andere, und wenn er kurz einnickte, dann
plagten ihn böse Träume. Er sah sah sich über ein Feld
rennen, auf dem dichter Nebel lag. Eine riesige Gestalt verfolgte
ihn. Es war der ins Überdimensionale gewachsene, dicke Beamte
mit dem Schnauzbart. Er streckte die Hände nach ihm aus.
„Haltet ihn!“ dröhnte eine Stentorstimme. „Er
darf uns nicht entkommen! Er ist ein Mörder!“
Finger griffen nach ihm. Immer wieder konnte er sich im letzten
Augenblick dem Zugriff entziehen.
Er warf sich nach vorn, mobilisierte seine letzten Kräfte, um
den Hütern des Gesetzes nicht in die Hände zu geraten.
Im Nebel vor ihm zeigten sich schemenhaft die Umrisse eines
Flugzeuges. Das mußte er erreichen. Die Motoren liefen schon,
und Olsen sah, wie die Passagiertreppe weggerollt wurde.
Panik ergriff ihn.
Hände schwebten über ihm.
„Du wirst uns nicht entkommen. Kay Olsen!“ Die Stimme
schien aus dem dräuenden Himmel über ihm zu kommen.
„Du bist ein Mörder… ein M-ö-r-d-e-r! Du hast
Heinz Marstner getötet!“
„Ich habe ihn nicht getötet.“
Er schrie auf, drehte sich um seine eigene Achse, begann wieder zu
laufen und stellte zu seinem Entsetzen fest, daß er keinen
Schritt weiterkam und auf der Stelle rannte!
Er kam nicht an das Flugzeug heran.
„Du hast ihn getötet!“
„Ja, gut, ich gebe es zu! Aber es war nicht meine Schuld,
kein Vorsatz. Es war – ein Unfall!“
„Mord ist Mord, Kay Olsen!“
Der Schatten fiel auf ihn. Olsen schrie, schlug um sich und
zappelte wie ein Fisch, zwischen den Fingern des fetten Polizisten,
der lachte; aus seinem riesigen Mund zuckte eine Zunge, die zur
Schlange wurde, deren Kopf Kay Olsen mitten ins Gesicht
stieß.
Da wachte der Ingenieur auf. Er schrie noch, während er sich
aufrichtete. Olsen war in Schweiß gebadet und fühlte sich
wie gerädert.
Draußen graute der Morgen.
*
Noch ehe es sieben schlug, fuhr er los. Sein Wagen war
vollgepackt.
Im Ort unten hielt er noch mal kurz an und sprach mit dem Bauern,
der den Auftrag hatte, von Zeit zu Zeit im Haus nach dem Rechten zu
sehen. Dem Mann ließ er auch einen Schlüssel da.
„Nun fahren ‘s ja doch schon früher, Herr
Olsen.“
„Ja, ich hab mir’s anders überlegt. Es sind noch
einige Vorbereitungen zu treffen, die mich in Mexiko mehr Zeit kosten
werden, als ich ursprünglich angenommen habe. Da ist es schon
besser, früher dort zu sein.“
„Ja mei, da wünsch’ ich Ihnen alles Gute, Herr
Olsen. Und Sie brauchen sich keine Sorge zu machen – hier
läuft’s wie geschmiert, darauf können Sie sich
verlassen!“
„Das weiß ich, Huber.“
„Aber schlecht sehen’s aus, Herr Olsen“, meinte der
Bauer unvermittelt. „So bleich.“
„Kein Wunder. Ich habe bis spät in die Nacht hinein
gearbeitet und danach noch schlecht geschlafen.“ Er versuchte zu
lächeln. Es mißlang.
Huber musterte ihn mißtrauisch oder mitfühlend? Olsen
merkte an dieser stillen Frage, daß er in jedem einen Spion zu
sehen glaubte und fürchtete, man würde ihm das Verbrechen,
das sich in der letzten Nacht ereignet hatte, ansehen.
Er war froh, als er das Dorf hinter sich hatte. Auf freier Strecke
fühlte er sich wohler, und doch wollte der Druck über
seinem Brustbein nicht weichen.
Er kam nach München. Wenn er unterwegs eine Polizeistreife
erblickte, glaubte er, das Herz würde ihm stehen bleiben. Er
fürchtete, angehalten zu werden.
Heinz Marstners Verschwinden konnte nicht lange unentdeckt
bleiben. Höchstens drei Tage, dann mußte man
mißtrauisch werden.
Olsen fuhr auf
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