Macabros 035: Mirakel, Mann der Geheimnisse
Kopfende lag die letzte
Nummer der Nachtausgabe, in die er einen Blick warf.
Unwillkürlich suchte er nach einem neuen Bericht über Liane
Martens, die er in dem Geschenkartikelgeschäft kennengelernt
hatte.
Der Vorfall interessierte ihn über Gebühr, hatte er doch
unmittelbar mit diesen Dingen zu tun gehabt. Er war sogar von der
Kriminalpolizei verhört worden, der er einen umfangreichen
Bericht seiner Beobachtungen gab. Kommissar Harder hatte sich lange
und eingehend mit ihm unterhalten.
Nachdem er von Frankfurt abgereist war, hatte Kassner es nicht
versäumt, sich auch die nächste Ausgabe der Zeitung zu
besorgen, in der das erstaunliche Phänomen durch Terry White
wiedergegeben worden war.
Kassner stand mit beiden Beinen fest im Leben. Bis vor zwei Tagen
existierten für ihn keine außergewöhnlichen
Phänomene. Doch nun, da er selbst mit einem erstaunlichen
Vorfall konfrontiert worden war, sah er die Dinge mit anderen
Augen.
Es stand nichts Neues in dem Blatt. Er studierte ein paar Minuten
lang die ganze Kontaktseite, wo sich Hostessen und Top-Modelle aus
Hessen in ihren Anzeigen, Maßen und Dienstleistungen
überboten, und fragte sich im stillen, ob er sich den Abend
nicht doch mit einer solchen Puppe versüßen sollte…
Da brauchte er nicht mal außer Haus zu gehen. Einige machten
Dienst die ganze Nacht und waren sogar zu Haus- und Hotelbesuchen
bereit.
Aber dann dachte er an das, was ihm morgen bevorstand, und er
entschloß sich, doch ins Bett zu gehen. Und zwar allein.
Er erhob sich knöpfte sein Hemd auf und wollte es gerade
ausziehen, als er die schattengleiche Bewegung zwischen Schrank und
Fensternische registrierte.
Er fuhr zusammen und warf den Kopf herum.
Da war jemand in seinem Zimmer!
*
Seine Augen weiteten sich, und es war ihm, als ob eine eiskalte
Hand sich in sein Herz bohre.
Eine junge Frau stand vor ihm. Sie trug einen langen, geschlitzten
Rock und eine raffiniert geschnittene Bluse.
Die junge Frau näherte sich lächelnd. Sie war ihm nicht
unbekannt.
»Li… Liana Martens«, stammelte er
ungläubig.
*
»… aber das kann doch nicht sein… Sie… wie
kommen Sie hierher?«
Er versuchte sich zusammenzureißen, die Dinge logisch und
klar zu erkennen und unvoreingenommen an sie heranzugehen. Aber das
war einfacher gedacht als getan!
So einfach lagen die Dinge nicht. Wieso eigentlich nicht?
widersprach er sich im gleichen Moment schon wieder selbst.
Ein Mädchen verschwindet – ein Mädchen taucht
wieder auf. Und es passiert in meinem Hotelzimmer. Was kann ich mir
besseres wünschen? Das ist schon eine irre Geschichte!
Er schloß die Augen und öffnete sie wieder.
Der Eindruck blieb.
»Ich gefalle Ihnen doch, nicht wahr?« fragte sie direkt
heraus.
Er schluckte, als er sah, wie sie anfing, langsam und mit betont
erotischen Bewegungen ihre Bluse aufzuknöpfen.
»Ja, sehr…«
»Sie haben sich doch gewünscht, mit mir zu
schlafen…«
»Können Sie – Gedanken lesen?« Er hatte die
Fassung völlig verloren.
»Ich habe Ihr Gesicht gesehen, ihre Augen… es waren
keine schlechten Gedanken, die Sie hatten, bestimmt nicht. Für
Sie – schien es Liebe auf den ersten Blick zu sein.«
Er nickte heftig und fuhr sich durch die Haare.
›Ich werd’ verrückt!‹ fieberte es in seinem
Hirn. ›Wenn ich jemand die Geschichte erzähle, glaubt mir
die kein Mensch!‹
»Ja, ja, das war es. Aber sagen Sie: wo waren Sie? Warum sind
Sie so plötzlich verschwunden?«
»Ich mußte weg. Ich wurde gerufen.«
»Gerufen? Von wem?«
»Sie werden mich nicht verstehen, wenn ich es Ihnen
erkläre. Aber Sie werden mich verstehen, wenn ich es Ihnen
zeige. Wollen Sie – mit mir kommen?«
Ihre Augen leuchteten. Auf ihren schön geschwungenen Lippen
lag ein verführerisches Schimmern und Lächeln.
Sie war viel schöner, als er sie in Erinnerung hatte. Jetzt,
da sie so dicht vor ihm stand und das Deckenlicht ihr Gesicht
schattenlos ausleuchtete, sah er erst, wie schön sie in
Wirklichkeit war.
Ich träume! Ich leide unter Halluzination, versuchte er sich
in die Wirklichkeit zurückzurufen. Ich habe getrunken!
Getrunken? Konnte man von zwei Gläsern Wein betrunken werden?
Doch wohl kaum!
Ihre Bluse stand offen. Er sah ihre vollen, jungen Brüste,
die prall die Körbchen füllten.
»Würdest du mit mir kommen?« fragte sie leise, und
ihre Stimme ließ einen wohligen Schauer über seinen
Rücken laufen.
»Ja, sofort.«
»Wohin es auch immer sei?«
»Ja.«
Ihr Gesicht war
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