Macabros 038: Mirakel - Phantom aus dem All
das schweigen würden, was Sie heute
abend erlebt haben, wäre ich Ihnen sehr verbunden«, sagte
Mirakel. »Zumindest, was meine Person betrifft.«
»Wenn Sie das wollen, gern.« Sie lächelte und
strich sich eine Haarsträhne aus der Stirn. Margarete Schauer
sah gut aus. Das lange naturblonde Haar rahmte ein ovales,
intelligentes und hübsches Gesicht. Sonja sah wie eine
verkleinerte Ausgabe ihrer Mutter aus. »Aber erlauben Sie mir
eine Frage: Sind Sie ein Mensch?«
»Ja.«
Man sah ihr an, daß sie noch viele Fragen
beschäftigten, daß sie die aber nicht aussprach. Mirakel
wußte, daß es von nun an immer so sein würde, wenn
er in dieser Gestalt auftauchte. Ganz verbergen würde er sich
nicht können, obwohl er alles daransetzen wollte, nur im
Verborgenen zu wirken. Er wollte die Dyktenkräfte anwenden, wo
immer es möglich war, und wo sie Nutzen brachten. Dieser
rätselhafte und unheimliche Zwischenfall auf dem Dach des
Hochhauses hatte bewiesen, welchen Sinn sie unter anderem haben
konnten.
Mirakel fiel es schwer, an einen Zufall zu glauben. Das
plötzliche irre Verhalten Margarete Schallers setzte er mit dem
Licht aus dem Weltall in Verbindung. Es war zu einer kurzen, aber
harten Konfrontation zwischen der Frau und dem Phantom gekommen, und
es hatte sich blitzschnell wieder zurückgezogen. Aus irgendeinem
unerfindlichen Grund – oder gerade so, als hätte es die
Nähe der Dyktenseele gefühlt und wollte sich rasch wieder
entfernen – war es fluchtartig zu den Sternen
zurückgewichen.
Was immer aus dem Kosmos da herabgekommen war, was auch Garry
Brown attackierte: es konnte nichts Gutes sein. Die Menschen, die es
berührte, benahmen sich kurze Zeit daraufhin unnormal und
wußten nachher nichts mehr davon.
Mirakel ging die Treppe nach unten in das nächste Stockwerk.
Als er um die Ecke kam, so daß Margarete Schaller ihn nicht
mehr sehen konnte, schwang er sich aus dem Fenster und glitt lautlos
durch die Luft bis zur obersten Fensterreihe des Hauses, wo er im
Büro Gering und Krollmann verschwand.
Margarete Schaller stand auf der Schwelle zu ihrer Wohnung und
legte den Arm um die Schultern ihrer Tochter. »Irgendwie kommt
er mir bekannt vor«, murmelte die Frau nachdenklich.
»Dieses Gesicht… ich habe es schon mal gesehen.«
*
Frank Morell blieb Mirakel und führte in dem
Konstruktionsbüro die begonnene Arbeit, mit der er sich seit
Stunden abquälte, fort.
Dabei machte er eine erstaunliche Feststellung.
Plötzlich durchschaute er das Problem. Sein Verstand erkannte
klar und logisch die Zusammenhänge, und er kam ungewöhnlich
schnell voran. Der kosmobiologische Kraftstrom wirkte auf sein Hirn
wie eine Droge, so daß das, was er erfuhr, wie eine
Bewußtseinserweiterung war. Eine Bewußtseinserweiterung,
die natürlich war und in der ihm nicht durch eine Droge
irgendwelche Trugbilder und Gefühle vorgegaukelt wurden.
Blitzschnell bewegten sich seine Hände über das
Zeichenblatt. Innerhalb von zehn Minuten brachte er die Zeichnung
zustande. Eine neue Maschine war entstanden.
Mirakel alias Frank Morell war zufrieden.
In wenigen Minuten war ihm mit Dyktenkraft geglückt, womit er
sich mit Menschenkraft seit Tagen herumschlug.
Er löschte das Licht. Wieder führte ihn sein Weg zum
Fenster, und er wählte den ungewöhnlichen Ausgang, sich in
die Luft zu schwingen.
Unter der flimmernden Aura, die ihn umgab, bewegte er sich
tausendmal so schnell wie andere Menschen. Sein ganzer
Körperrhythmus war beschleunigt. Er verbrauchte rasend schnell
Energien um diese Bewegungen durchzuführen. – Energien,
für die er normalerweise Jahre brauchte, um sie zu erzeugen, und
er verbrauchte in Sekunden die Kraft von Jahren. Aber er wurde nicht
schwächer und nicht älter. Die Aura schützte ihn, der
kosmobiologische Kraftstrom versorgte ihn mit der Energie, die er
verbrannte.
Er bewegte sich derart schnell, daß die Fußgänger
auf der Straße still standen und die Fahrzeuge keinen
Millimeter weiterzukommen schienen.
Ein Atemzug war es her, seitdem er das Hochhaus verlassen
hatte.
Entfernungen spielten für ihn keine Rolle mehr.
Wenn man die reine kosmische Kraft verarbeiten konnte, war der
Flug zum Mond ein Spaziergang vor die Haustür. Entwickelte sich
der Mensch wie sich die Dykten einst entwickelt hatten, dann wurde
für ihn der Traum von der Erforschung des Kosmos erfüllbar.
Der Weg zu den Sternen stand ihm offen. Milchstraßen, die so
weit entfernt lagen, daß man Jahrhunderte brauchte, um sie
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