Macabros 041: Tschinandoah - wo die Steine leben
diesen fremden blonden Mann in die Welt
gesetzt haben. Vielleicht kann ich helfen, den Irrtum
aufzuklären – vielleicht kann ich auch mithelfen, den zu
finden, der aussieht wie der, den ihr vernichten wollt. Ich bin der
einzige, der ihn wirklich persönlich kennt – und vor dem er
die Maske fallen lassen muß, wenn er nicht der ist, für
den er sich ausgibt. Meinen Freund werde ich sofort erkennen und
identifizieren können. Er besitzt gewisse Dinge, die es nur ein
einziges Mal gibt und mit denen nur er etwas anfangen kann.«
Er dachte an die Augen des Schwarzen Manja und die
Dämonenmaske und den Trank der Siaris. Einer, der nicht
eingeweiht war, würde nicht wissen, was es mit diesen Dingen auf
sich hatte.
Der stärkste Prüfstein jedoch würde das Schwert des
Toten Gottes sein. Nur Hellmark alias Macabros alias Kaphoon konnte
es benutzen, denn für seine Hand war es einst im fernen Xantilon
geschmiedet worden.
Ein anderer konnte es nicht schwingen. Es kam nicht auf die
Körperkraft desjenigen an, der es emporreißen wollte,
sondern auf den Geist des Trägers, der es führte.
»Egal, wie du es handhaben wirst. Du wirst in dieser Nacht
ein Dach über dem Kopf brauchen. Ich bitte dich, mein Gast zu
sein. Ich wohne allein. Ich biete dir Speise und Trank und ein Bett.
Morgen dann kannst du weitersehen. Komm, ich zeige dir mein
Haus!«
Lanok benutzte ein paar verwinkelte Gassen. Schließlich
standen sie vor einem niedrigen Haus mit einem spitzen,
schindelgedeckten Dach.
»Es gibt einen Hinterausgang, den du besser benutzen
solltest, wenn du später hierher kommst«, schlug Lanok ihm
vor. »Niemand sieht dich dann. Sei auf der Hut, wenn du mich
aufsuchst! Mir liegt nicht viel an meinem Leben. Das Leben in einer
Stadt, in der Raum und Zeit nicht mehr stimmen und in der es keinen
Fortschritt gibt, ist nicht lebenswert. Dennoch möchte ich es
nicht auf qualvolle Weise verlieren. Denn höre, ich will dir ein
Geheimnis anvertrauen, hinter das ich – so glaube ich wenigstens
– aufgrund deiner ausführlichen Geschehnisse gekommen bin:
Aleana verschweigt uns allen etwas. Seit dem unerklärlichen
Geschehen sieht man sie nicht mehr in der Stadt. Nur
gerüchteweise soll sie das Schloß bewohnen, das inzwischen
düster und gewaltig geworden ist. Eine riesige hohe Mauer umgibt
die Gärten, die früher jedermann zugänglich waren. Was
jetzt da drin geschieht, weiß niemand. Alles ist so
undurchsichtig geworden, und der Einfachheit halber bringen wir es
mit dem Fremden in Verbindung, der willentlich Tamuurs Erbe antreten
wollte, wie es heißt. Nun, ich muß noch intensiver
über all diese Dinge nachdenken. Sie sind mir nicht ganz
geheuer. Ich führe dich zum Zentrum, wo der Tempel der
Verdammnis liegt, von dem aus du auch die Mauern des Herrscherhauses
sehen kannst. Danach werde ich dich verlassen, um zu verhindern,
daß man uns zusammen sieht. Hab Verständnis dafür,
wenn ich mich nicht so für deine Absichten einsetzen kann, wie
du es tust!«
»Das habe ich nicht erwartet, Lanok. Ich habe überhaupt
nichts erwartet. Ich wollte nur, daß du mir die Stadt zeigst.
Um alles andere dann wollte ich mich selbst kümmern. Ich danke
dir für deine Hilfe und dein Verständnis.«
Lanok zeigte ihm den Hintereingang und ließ die Tür
angelehnt.
Dann begleitete er den Inder noch bis zu den Stellen, wo die
anderen sechs Statuen Hellmarks aufgestellt waren. Gemeinsam
entfernten sie die angeblich bösen Zauber bewirkenden
Nadeln.
Niemand tauchte auf der ihr Tun beobachtete oder sie daran
gehindert hätte.
Die Stadt Ullnak schlief.
Rani erreichte eine Anhöhe, auf der der Tempel der Verdammnis
lag. Die Tore standen weit offen, und aus dem Innern des Tempels
drang intensiver Kerzenschein.
Hunderte von Kerzen mußten dort brennen.
Die schwarz gestrichenen Fenster, die viele Meter hoch waren,
ermöglichten keinen Blick in das Innere des Tempels.
Wortlos deutete Lanok nach links.
Und Mahay erblickte hoch über der Stadt die riesige, hohe
Mauer, über die kein Blick möglich war.
Dort drüben lagen das Schloß und die geheimnisvollen
Palastgärten der Herrscherin Aleana. Schloß und
Gärten bekamen nur noch die zu sehen, welche von den Soldaten
der jungen Fürstin ausgewählt wurden, nach dort zu kommen.
Und die dorthin gingen – kamen nicht mehr zurück und
konnten nicht berichten, was sie gesehen hatten.
Ein Mysterium… denn früher – wenn er Lanoks Worten
Glauben schenken durfte –, war das alles ganz
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