Macabros 043: Die Horror-Tempel von Skyx
am
Platz war.
Seine Blicke schweiften über das netzartig verflochtene
Wurzelwerk. Das Ganze hatte System, auch wenn das auf den ersten
Blick unglaublich schien.
Aus den dicksten, verflochtenen Wurzeln sprossen dünnere, die
wiederum noch dünnere hervorbrachten.
In sämtlichen Wurzeln erklang leises, permanentes Rauschen,
und die halbdurchsichtigen, faserigen Wände ließen den
Blick in das Innere der Wurzeln gehen, und er konnte erkennen,
daß blaßgelbe und rötliche Säfte schnell darin
flossen und dem hintersten Punkt der von Wurzeln überzogenen
Tempelwand zustrebten.
Dem Weg der durch die Wurzeln fließenden Säfte folgten
L’Thar, Aleana und Mahay.
Sie erreichten die hinterste Wand, und hier nahm das Netzwerk
explosionsartig zu. Aus allen Richtungen liefen hier dicke und
dünne Wurzeln zusammen, und das Rauschen und leise Sprudeln in
diesem seltsamen Adergeflecht war nun unüberhörbar.
Die zahllosen Wurzeln bildeten einen Kopf, der bizarr und
fremdartig anmutete und der nur aus Wurzeln aller Größe
bestand. Der seltsame Schädel war fünfmal größer
als ein Menschenschädel. Das Geflecht der Wurzeln bildete nicht
nur die Adern, sondern auch die Schicht, aus der der riesige,
unheimlich wirkende Kopf bestand.
Das Gesicht war durchzogen von durchsichtigem Aderwerk, in dem die
Lebenssäfte strömten, die durch das Netz aller Wurzeln bis
hierher getragen wurden.
Riesige, wie Kohlen glimmende Augen saßen in dem
Wurzelgesicht, aus dem jetzt eine gruftdunkle Stimme kam.
»Ich heiße euch willkommen in Chhloms
Reich…«
Das Gesicht – war Chhlom!
*
Rani Mahay brauchte einige Sekunden, um das zu verdauen.
L’Thar legte beide Hände an seine Brust und verbeugte
sich. Offenbar war dies ein Zeichen der Verehrung. Aleana folgte
seinem Beispiel. Der Inder schloß sich an.
Der riesige Wurzelschädel zog ihn ganz in seinen Bann, es
fiel ihm schwer, sich dem Blick der bannenden, ihn sezierenden Augen
zu entziehen, die ihn bis in die tiefsten Tiefen seiner Seele zu
durchschauen schienen.
»Die Zeichen auf Skyx stellen uns vor Rätsel,
Verehrungswürdiger«, begann L’Thar mit seinem Vortrag.
»Ysgar-Schlangen verscheuchen uns aus dem Dorf oder reißen
Opfer in unser Volk. Bisher ist es Tamuur, dem Schrecklichen, nicht
gelungen, seinen Fuß auf dieses paradiesische Eiland zu setzen.
Doch er greift danach. Das Auftauchen der Ysgars ist ein erstes
Anzeichen dafür. Wesen, die dunklen Mächten dienen oder aus
dem Reich der Finsternis selbst stammen, werden an Skyx Ufer
gespült. Die Abstände in ihrem Auftauchen werden immer
kürzer. Ich habe dich in der letzten Zeit oft um Rat gefragt,
verehrungswürdiger Chhlom. Bisher haben wir keine Antwort auf
unsere drängenden, lebenswichtigen Fragen erhalten.«
L’Thars Stimme klang beinahe vorwurfsvoll.
»Ich weiß, L’Thar…« erscholl es dumpf
aus dem Wurzelgesicht.
»Was geht vor, Verehrungswürdiger? Besitzen wir nicht
mehr dein volles Vertrauen? Ist der Kontakt zwischen uns und dir
gestört? Was ist schuld daran? Du besitzt die Fähigkeit,
mit den Wipfeln der Bäume und dem Duft der Blumen die Sprache
des Windes zu hören. Böse Gedanken, die auf Skyx gerichtet
sind, werden dir bekannt, noch ehe wir eine Ahnung davon hätten.
Was ist es, Verehrungswürdiger, das die Verbindung zwischen dir
und uns von Tag zu Tag schwerer macht?«
»Ich kann es dir nicht sagen L’Thar«, erwiderte der
Kopf. »Noch nicht…«
»Ich habe Freunde mitgebracht. Wir bedauern alle, so
früh zu dir kommen zu müssen. Aleanas Ankunft
läßt uns keine andere Wahl. Noch ehe die Dunkelheit
über Skyx hereinbricht und deine großen Stunden beginnen,
muß sie wieder zurück sein. Not und Ratlosigkeit haben sie
veranlaßt, den gefährlichen Weg nach hier
anzutreten…«
»Ich weiß.« Chhloms dunkle Stimme erfüllte
die weite Halbdämmerung der unterirdischen Tempelhalle.
»Ich weiß, wer was in Ullnak denkt. Der Wind hat mir die
Stimmen und Gedanken von dort hereingetragen.«
Rani Mahay hörte aufmerksam zu.
Der Dialog, der sich zwischen L’Thar und dem Wurzelkopf
entspann, wurde beinahe freundschaftlich geführt, als wäre
dieses auf Pflanzensäfte angewiesene, nur aus Kopf bestehende
Wesen der engste Vertraute oder beste Freund des Häuptlings.
Der Inder gewann den Eindruck, daß Chhlom parapsychologische
Fähigkeiten besaß. Das Lauschen in die Ferne – das
Wahrnehmen von Stimmungen und Gefühlen durch das Blattwerk der
Bäume und den Duft der Blumen, mit denen er
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