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Macabros 045: Das Geheimnis der grauen Riesen

Macabros 045: Das Geheimnis der grauen Riesen

Titel: Macabros 045: Das Geheimnis der grauen Riesen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Shocker
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seine Finger in die Tiefe glitten.
    Ein Rand! Vor ihm befand sich ein Loch.
    Der milchige Nebel stieg daraus empor, der seine Finger und
Handgelenke umspielte.
    Hellmark kam es so vor, als ob der Nebel wie klebriger Faden war,
der seine Arme immer weiter nach vorn zog.
    Flach auf dem Boden liegend, nahm er abwesend wahr, wie sein
Körper langsam aber unaufhörlich weiter auf die
Bodenöffnung zuglitt, ohne daß er selbst das geringste
dazu tat.
    Sein Kopf tauchte ein in den Nebel – und jetzt war er hier
unmittelbar unterhalb des Randes wieder undurchsichtig wie Glas.
    Schwerer, betäubender Duft und Nebelschwaden hüllten
seinen benommenen Kopf ein wie ein Wattemeer.
    Aus nur noch halboffenen Augen nahm er in schwindelnder Tiefe
unter sich etwas Merkwürdiges wahr.
    Eine kreisrunde Fläche, die an den Rändern ausgebrochen
war wie eine dicke, uralte Platte. Heiße Nebelluft waberte
darüber hinweg und schien aus einem dunkelroten Siegellack zu
bestehen.
    Unter ihm in einer unvorstellbaren Tiefe ein Siegel von
unvorstellbaren Ausmaßen?!
    Hier auf dieser Welt – so drängte sich ihm für eine
Zehntelsekunde der Gedanke auf – schien alles in
überdimensionaler Gestalt aufzutreten.
    Auf dem Siegel sah er zahlreiche Gestalten und Szenen: behaarte
und schrecklich anzusehende Monster, Fabelwesen mit
Schuppenkörpern und Klauenhänden, mit langen, gebogenen
Schnäbeln. Teufelsgestalten und Ungeheuer überfielen
nackte, schöne Frauen, entführten sie und schleppten sie
davon, während schwerttragende Helden todesmutig weitere
unheimliche Gegner aus einem finsteren Höllenreich in die Flucht
zu schlagen versuchten.
    Die Darstellungen auf dem Grund des Nebelsees bildeten ein
sinnverwirrendes Ganzes. Zahllose Szenen liefen hier ineinander, und
er konnte sie gar nicht alle überblicken.
    Der unfaßbare Sog hielt seinen Körper umfaßt, der
sich langsam auf die Seite rollte, so daß er das unheimliche
Abbild eines teuflischen, grausamen Siegels nicht mehr sah, weil er
jetzt seitlich lag. Sein Körper war schlaff wie der einer
Marionette, der man die Fäden gekappt hatte. Er bot
überhaupt keinen Widerstand mehr. Jegliche Spannung war einer
säuglingshaften Hilflosigkeit gewichen, die nur auf die Wirkung
des berauschenden Dampfes aus der Tiefe zurückzuführen
war.
    Nur noch wenige Zentimeter trennten Björn Hellmark vor dem
Sturz in die Tiefe, dann würde er das Übergewicht verlieren
und in dem Nebelsee für alle Zeiten verschwinden.
     
    *
     
    Als Kenneth Herold die Augen aufschlug, fühlte er sich wie
gerädert.
    Der Morgen graute. Die ersten Sonnenstrahlen zeigten sich im
Süden. Im Garten zwitscherten die Vögel.
    Herold richtete sich langsam auf und fuhr sich durch das
zerwühlte Haar.
    Er hatte schlecht geträumt.
    Von einem Besuch bei seinem Bruder, von einer Kellerwand, die
Henry irgendwann mal freilegte und die anderen physikalischen
Gesetzen unterstand als dem der dritten Dimension. Die Wand war
durchlässig für einen dreidimensionalen Körper wie
eine Scheibe durchlässig war für einen gewöhnlichen
Sonnenstrahl.
    »Graue Riesen… fluoreszierende Höhlenwände,
die durchsichtig sind… Mann, Ken, so ’nen Quatsch hast du
noch nie geträumt…« sagte er halblaut, sich seines
vermeintlichen Traums in allen Einzelheiten entsinnend.
    Er stand auf und wunderte sich, daß seine Kleider nicht so
ordentlich wie sonst zusammengelegt oder aufgehängt waren. Es
schien, als wäre er in größter Eile zu Bett
gegangen.
    Die Nähe, die er seinem Traum gegenüber noch hatte,
erschreckte ihn ein wenig, aber er versuchte sich selbst zu
beruhigen.
    Er hatte das Ganze doch für einen Moment lang für
wirklich erlebt gedacht.
    Unter der Brause hervorkommend, fühlte er sich gleich
besser.
    Die Kaffeemaschine lief, und als er aus dem Bad kam, konnte er die
erste Tasse gemächlich trinken.
    Er hatte gerade zwei Schlucke zu sich genommen, als das Telefon
anschlug.
    Wer konnte ihn so früh anrufen?
    Im Büro konnte noch niemand sein, und auch ein Mandant kam
nicht auf die Idee, ihn am frühen Morgen telefonisch zu
belästigen.
    Er selbst hatte gerade mit dem Gedanken gespielt, nach dem
Frühstück im Haus seines Bruder anzurufen und mit Henry
über den seltsamen Traum zu sprechen.
    Der Anwalt hob ab und meldete sich.
    »Hier ist Liz, Ken«, sagte eine leise, erstickte Stimme
am andern Ende der Strippe.
    »Liz?« entfuhr es ihm unabsichtlich hart. »Du? So
früh? Was um alles in der Welt veranlaßt dich…«
Er unterbrach sich,

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