Macabros 045: Das Geheimnis der grauen Riesen
Kenneth
Herold schlimmer als Spießrutenlaufen. Sämtliche
Schubladen und Schrankfächer wurden durchsucht. Im Schrank
hingen zwei weiße Kittel und lagen einige Fachbücher
über biochemische Reaktionen der Zelle.
Es gab nichts Außergewöhnliches…
Als abermals zehn Minuten später Kenneth Herold neben seiner
Schwägerin im Wagen saß und sie nach Hause chauffierte,
sagte sie: »Es tut mir leid, daß ich mich so und nicht
anders benommen habe, Ken. Ich möchte dir gern glauben, und
obwohl deine Geschichte sich um so vieles phantastischer anhört
als der Erklärungsversuch, den ich Dr. Jenkins gegenüber
gemacht habe, gegenüber machen mußte, nehme ich dir diese
Story ab.«
»Aber warum hast du dann…«
»Von möglichen Papieren und dergleichen gesprochen, von
der Entführung? Um einen Verdacht zu haben, einen Grund, der
auch Sheriff Crasher einleuchten wird. – Ich habe über
einiges nachgedacht.«
»Worüber hast du nachgedacht, Liz?«
Ȇber mein Leben mit Henry. Er war stets ein
Außenseiter, ein Einzelgänger, ein liebenswerter
Einzelgänger. In manchen Bemerkungen, die er in den letzten
Jahren auch mir gegenüber hin und wieder mal machte, kam eben
doch zum Ausdruck, daß er an Dinge glaubte, die nicht bewiesen
waren. Er sprach von außerirdischem Leben, von fremden Rassen,
die möglicherweise ihre Spuren hier hinterlassen hatten, Spuren,
die auch nach Jahrtausenden noch auffindbar waren, wenn man sich nur
die Mühe machte, nach ihnen zu suchen. Das waren Dinge, die er
vereinzelt mal ins Gespräch brachte, ohne sie dann näher zu
erläutern oder ausführlich über sie zu sprechen. Henry
wollte stets erst Beweise sehen, bevor er jemand in sein Geheimnis
einbezog. Er hat dich in der letzten Nacht angerufen und dir sein
Geheimnis verraten. Vielleicht hätte er es auch mir noch
gezeigt, sobald er sicher sein konnte, auch mich einzuweihen, ohne
daß ich an meinem Verstand zweifeln würde. – Es wird
wohl so sein, wie du mir gesagt hast. Aber niemand wird uns glauben.
Henry ist auf der Seite der Welt, auf die er geraten ist, ganz auf
sich allein angewiesen. Vielleicht findet er doch noch den Weg zur
Rückkehr. Da er niemand von uns eingeweiht hat, kann niemand ihm
helfen. Hier allerdings werden die Dinge ihren normalen Gang gehen.
Die Polizei wird unangenehme Fragen stellen und unser Privatleben
durchleuchten, sie wird manches finden, was ungereimt sein wird. Das
wird mich nicht verwundern. Es paßt zu Henrys Leben. Ich sehe
die Dinge jetzt mit ganz anderen Augen. Wenn mein Gefühl mich
nicht täuscht, findet Henry einen Weg, ich kann einfach nicht
glauben, daß er – für immer – verschwunden sein
soll. Vielleicht ist er auch gar nicht da, wo du, Ken, ihn vermutest,
sondern er befindet sich noch auf dieser Seite der Welt, nur wir
sehen ihn nicht.«
»Wie meinst du das, Liz?« fragte Kenneth Herold
erregt.
»Wir haben beide ganz verschiedene Sachen gesehen. Henrys
Aufenthaltsraum in der Klinik war in der letzten Nacht angeblich
völlig verwüstet. Wir fanden es eben sauber aufgeräumt
vor. Wer mag das wohl getan haben? Henrys Labor, das deinen Worten
nach gar kein Labor war! Henrys Verhalten selbst läßt
darauf schließen, daß er guten Grund hatte, niemand
diesen kahlen Kellerraum zu zeigen. Ein Labor, wie wir es eben sahen,
hätte doch jeder mal sehen können, nicht wahr, ohne gleich
erfahren zu müssen, womit Henry sich
beschäftigte…«
Kenneth Herold nickte. »Du hast recht, Liz.«
Er warf ihr einen Blick von der Seite zu. Ihr schönes,
schmales Gesicht wirkte wie aus hellem Marmor gemeißelt. Die
Augen glühten wie Kohlen. Sie und die sich kaum merklich
bewegenden blassen Lippen waren das einzige, was diesem zur Maske
gewordenen Gesicht noch Leben verlieh.
»Es gab Feinde und es gibt sie noch. Sie wollen etwas
verbergen oder uns auf eine falsche Spur führen. Wir sehen
Dinge, die es gar nicht gibt oder die anders sind…« Sie
lächelte verzerrt, und ein leises, trockenes Lachen drang aus
der Tiefe ihrer Kehle. »Ist es nicht merkwürdig, Ken? Man
kann einfach über etwas Unerklärliches, etwas
Gespenstisches sprechen, ohne gleich in Panik zu geraten oder den
Gedanken im Hintergrund zu fühlen, daß man eventuell nicht
mehr ganz richtig im Kopf ist. Ich hätte es nie für
möglich gehalten, daß ich das mal so kühl von mir
behaupten könnte. Man kennt sich eben oft selbst nicht, bis man
in eine Situation gerät, in der man sich wie in einem Spiegel
sieht.«
Nach diesen Worten herrschte
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