Macabros 059: Die menschenfressenden Schatten
hergestellt, der das Unheil auslöste.
Der opalisierende Himmel über der Schlucht der reglosen Pilze
glühte auf wie eine Nova. Ein langgezogenes, fauchendes
Geräusch entstand über dem Talkessel. Licht und Schatten
vermengten sich, und dann nahmen die Schatten überhand.
Sie waren plötzlich überall.
Es ging alles so schnell, daß weder Björn noch der
überraschte Mirakel noch Oceanus zu sagen vermochten, wie sich
eigentlich alles entwickelte.
Die Schatten waren im Land der Pilze, und sie waren in dem
steinernen Wald, den sie passiert hatten.
Das Rauschen rundum wurde zum Orkan.
Rani Mahay, der sich Macabros gegenübersah, reagierte auf
eine Weise, die aus Hellmarks Sicht völlig unverständlich
war.
Der Inder lief von seinem Freund weg, als hätte er die
Pest.
Mahay stürmte in den schattigen Talkessel, verschwand hinter
Erdhügeln und tauchte unter, als hätte es ihn nie
gegeben.
Macabros konnte nicht folgen.
Da waren die Schatten!
Zu Hunderten erwachten sie zum Leben. Sie erzeugten den Orkan, der
von solcher Gewalt war, daß er Hellmark wie einen Spielball zur
Seite schleuderte, so daß er mit dem Kopf gegen einen der
Felsenbäume knallte, und zwar mit solcher Wucht, daß er
auf der Stelle das Bewußtsein verlor.
Macabros löste sich in der gleichen Sekunde im Land der
Leichenpilze auf.
Das Wasser, in dem Oceanus schwamm, wurde emporgehoben, als ob ein
unterirdisches Seebeben stattfände. Steil und schaumig stieg die
Wasserwand empor, und eine riesige Fontäne wurde mit Wucht in
unvorstellbare Höhe geschleudert.
Oceanus bäumte sich auf. Selbst dieser gigantische,
muskelbepackte Körper, der die stärksten Strömungen in
der Tiefsee zu durchpflügen vermochte, wurde wie ein Spielball
zurückgeworfen.
Die Schatten kamen nicht nur aus der Dimensionssäule, durch
welche die drei Ankömmlinge in das Reich der Leichenpilze
einzudringen beabsichtigten, sondern auch von den steinernen Wipfeln
und aus dem Wasser.
Es fauchte, flatterte und zischte, als ob ein Heer von Tieren
durch die Lüfte eilte, sowohl aus dem Himmel wie aus dem Wasser
käme.
Die Schatten sahen aus wie langgestreckte Körper, ohne eine
besondere Form zu besitzen. Sie erinnerten an gekrümmte
Schlangenleiber, an bizarre Hände, denen sich die
überdimensionalen Finger spreizten und irgendwo in der Tiefe des
unterseeischen Reiches verloren.
Die Schatten sausten wie tausend eng aneinandergeschmiegte Leiber
zwischen den nackten Stämmen davon, verschwanden in den
Korridoren und Hallen, stürmten hinaus durch das riesige Portal,
das nur auf dem Wasserweg zu passieren war, und durchsetzten die
unterseeischen Strömungen.
Aus eigener Kraft und ohne besondere Anstrengung stiegen die
Schatten in die Höhe und erreichten schließlich die
Oberfläche der See.
Wie ein Nebelteppich lagerten die aus der Tiefsee emporgewanderten
und befreiten, erstarrten Schattenwesen über den Wellen und
jagten lautlos darüber hinweg.
Sie waren an der Oberfläche!
Sie triumphierten!
Es war Nacht. Und sie wurden eins mit dieser Nacht auf dem
bewegten Meer, in dem sich der Glanz der Sterne und des Mondes
zeigte. Auf den Wellen spiegelten sich Lichter, die sie noch nie
gesehen hatten.
Nicht alle Lichter stammten von den Sternen.
Es gab auch rote, grüne und gelbe Punkte, die darauf tanzten.
Diese Lichter stammten von der farbigen Beleuchtung einer
weißen Jacht, die rund zwanzig Meilen von der Küste
entfernt auf den Gewässern schaukelte.
Auf der Jacht feierte der Filmschauspieler James Curton seinen
fünfzigsten Geburtstag.
Und es gab genau fünfzig Gäste an Bord der Jacht, die
seinem Freund, dem Ölmillionär George Flunner,
gehörte.
Die Menschen an Bord der »Carat«, wie Flunner sein
Seegefährt sinnigerweise genannt hatte, hörten und sahen
nichts.
Die Schatten kamen…
Sie klebten so dicht beieinander, daß ihre einzelne Form
nicht auszumachen war.
Die Dunkelheit war wie ein Mantel, der sie umhüllte.
Die Schatten aus dem unerforschten Reich der Tiefsee jagten der
Jacht und der illustren Gesellschaft entgegen.
Es waren – menschenfressende Schatten, die die Nähe der
Opfer mit dem ihnen eigenen Feingespür registrierten…
*
Lil lachte. Es klang silberhell.
Die attraktive Fünfundzwanzigjährige stand mit Joe auf
Deck.
Lil nippte an ihrem Sektglas, schwenkte es, machte eine leichte
Drehung nach links und warf es halbgefüllt über die Reling
ins Meer.
Der Sektkelch versank sofort.
Lil Svenson hatte erneut Grund zum
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