Macabros 059: Die menschenfressenden Schatten
Lachen.
Sie warf den Kopf zurück, daß ihre Haarpracht in
Bewegung geriet. Zu dem kleinen Gesicht wirkte diese prächtige
Löwenmähne, wie sie ihr gefiel, höchst
interessant.
»Ein neues Glas – Joe!«
Der junge Mann knallte die Fersen zusammen, stand stramm, so gut
es ihm noch gelang, und erwiderte: »Zu Befehl, Madame! Sie
erhalten einen neuen Sektkelch…«
Er machte auf der Stelle kehrt, lief hinunter in die Messe, wo der
Trubel besonders groß war, und marschierte zur Bar, wo zwei
Keeper alle Hände voll zu tun hatten, um die Wünsche der
illustren Gesellschaft zu erfüllen.
Joe war Moderator in einer populären Show seines
Fernsehsenders. Der schwarzgelockte Mann mit dem leicht
gebräunten Gesicht wirkte auf Frauen, und im Nu hatte er zwei
Blondinen am Hals, die mit ihm tanzen, trinken oder essen wollten.
Die eine schwärmte von dem wunderbaren kalten Büfett, die
andere von dem Blues, den die Kapelle eben spielte.
Joe winkte ab. »Ich hab’ keine Zeit. Lil wartet auf
mich. Sie braucht noch ein paar Sektkelche – das hab’ ich
ihr versprochen…«
Die beiden Blondinen blickten sich groß an.
»Lil?« fragte die eine. Sie hatte den
größeren Busen. Nach dieser Kategorie stufte Joe die
Frauen ein, mit denen er zu tun hatte. Namen vergaß er
meistens. »Hat sie wieder einen neuen Tick?«
Lil Svenson stammte aus Dänemark. Sie war grazil und
zartgliedrig, und James Curton hatte sie auf einer Europatournee
kennengelernt.
Lil Svenson war in ihrem Land bekannt für Songs, deren
anzügliche Texte besonders an Herrenabenden zu ihrem Recht
kamen. Gesungen mit Lils rauchiger Stimme waren sie auf Schallplatten
und auf Kompakt-Kassetten zu hören.
Als James Curton und Lil Svenson sich in Kopenhagen begegneten,
war das »wie eine Wucht«, wie sie beide vor Reportern
später erzählten.
Lil ließ in ihrem Land alles liegen und stehen und reiste
mit Curton in die Staaten. Hier legte sich »die Wucht«
bald. Szenen und Krache am laufenden Band und Curtons Liebschaften
verhinderten schließlich, daß es zu einer festen Bindung
kam.
Die Dänin und der Amerikaner trennten sich wieder. Aber Lil
blieb in Amerika. Sie blieb auch Curtons Bekannten- und Freundeskreis
erhalten, da der Frauenheld sich auch ausgediente Freundinnen
warmhielt und es nicht völlig mit ihnen verscherzte. So war es
kein Wunder, daß neun der Verflossenen an diesem Abend, in
dieser Nacht mit zu den geladenen Gästen auf der Jacht
zählten.
Joe, der Fernsehsprecher, kam mit einer Batterie von
Sektgläsern wieder auf Deck.
Lil Svenson trug ein langes, weichfließendes Kleid aus
nachtblauem Organza. Es war mit silbernen Pailletten besetzt,
ärmellos und wurde von zwei hauchdünnen
Spaghettiträgern gehalten.
Die Dänin hielt die Sektflasche in der Hand. Man sah der
jungen Frau an, daß sie sich fleißig an diesem
Getränk gelabt hatte, und schon jetzt war vorauszusehen,
daß sie die nächste Stunde nicht mehr bei vollem
Bewußtsein erlebte.
»Joe, du bist ein Mordskerl!« freute sie sich.
Er stand auch nicht mehr so fest auf den Beinen und wankte schon
beachtlich.
»Gib mir die Flasche… Lil!« sagte er mit schwerer
Zunge. »Ich schenke dir soviel ein, wie du willst. Und wenn der
Vorrat hier zur Neige… gegangen ist… dann hole ich dir
Nachschub. Ich tue alles für dich, was… du
willst.«
»Alles, Joe?« Sie sah ihn aus großen Augen
vielsagend an. Lil Svenson schlang die Arme um seinen Hals und
drückte ihm einen Kuß auf den Mund. »Wenn ich ins
Wasser… fallen würde… kopfüber… würdest
du mich retten, nicht wahr?«
»Ich würde dich… retten… darauf kannst du dich
verlassen… Lil…«
Die Dänin wankte einen Schritt nach hinten und lehnte sich
mit dem Rücken wieder gegen die Reling.
Sie streckte Joe die Flasche entgegen, und der Amerikaner reichte
ihr drei Sektgläser, nach denen sie unsicher griff.
»Ich würde, so wie ich bin, ins Wasser
springen…« Er schenkte ihr zum ersten Mal ein.
»Cheerio, Joe!« Lil nahm einen herzhaften Schluck,
machte dann eine schwungvolle Drehung nach links und warf das
Sektglas über Bord. »Und nochmal, Joe, weil es so
schön war!« freute sie sich wie ein kleines Kind, dem ein
Spaß gelungen war.
Das zweite Sektglas wurde angetrunken und folgte dann dem
ersten.
Joe und Lil lachten.
»Aller guten Dinge sind drei!« rief Joe und goß
den schäumenden Sekt ein, der über den Glasrand und seine
Hände lief, die er wie ein Hund abschleckte.
Er stand dicht vor der attraktiven
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