Macabros 069: Gigantopolis - Alptraumstadt
zu müssen.
Viele taten es freiwillig, andere wurden gegen ihren Willen
gezwungen. Sie wußten nicht, was sie taten.
Kaphoon sah den Mann, der eigentlich sein Freund hätte sein
müssen, um hier im Kampf gegen das Böse zu
unterstützen, mit erschreckender Geschwindigkeit
näherkommen.
Durch die Verletzung wagte er es im Moment nicht, sich erneut
seinem Gegner zu stellen. Dann würde Apokalypta zu dem Triumph
kommen, auf den sie nur wartete.
Kaphoons Atem flog. »Lauf… lauf, Anyxa…«,
entrann es seiner trockenen Kehle. »Auf dich setze ich meine
ganze Hoffnung… du mußt es einfach schaffen… lauf
nicht nach Gigantopolis! Dort wird sie erreichen, was sie will…
die schreckliche Dämonin ist ganz nahe ihrem Ziel… Lauf,
Anyxa, lauf!«
Seine Stimme klang gebrochen und schwach. Der starke Blutverlust
machte sich bemerkbar. Jeder Schritt, den Anyxa, die Schimmelstute,
machte, wurde für ihn zur Qual.
Doch er hielt durch, biß die Zähne zusammen und
forderte von seinem geschwächten Körper äußerste
Kraft.
Mit leichtem Schenkeldruck war es ihm möglich, das kluge Tier
auf das, was er wollte, aufmerksam zu machen. Immer wieder
flüsterte er leise auf es ein, und es schien, als würde das
Pferd die Ohren spitzen und genau zuhören.
»Nicht nach Gigantopolis… links, Anyxa… lauf nach
links…«, flüsterte er unaufhörlich.
Mit fiebernden Augen warf er noch mal einen Blick zurück und
mußte zu seinem Erschrecken feststellen, daß der Abstand
sich weiter verringert hatte. Hinter ihm folgte der wütende
Hellmark, der nur von dem Gedanken besessen war, ihn als Feind
auszumerzen, um Apokalypta den größten Gefallen ihres
Lebens zu tun und schließlich an ihrer Seite in jener aus dem
Nichts entstehenden Stadt zu herrschen.
Es paßte genau zur Prophezeiung.
Die besagte, daß eines Tages einer kommen werde, der ihm
ähnlich sehe wie ein Ei dem anderen. Sie würden sein wie
Zwillinge – und doch bis auf den Tod verfeindet. Auch der Grund,
weshalb jener andere kam, der ihm so ähnlich sah und der er in
einer fernen Zeit nochmal sein würde, war ihm klar. Doch
darüber wollte er jetzt nicht nachdenken, weil unzählige
andere hektische Gedanken seinen Kopf erfüllten.
Anyxa reagierte!
Er nahm es nur ganz schwach und wie im Einschlafen wahr. Er war
schon zu sehr erschöpft, um seine Umgebung und das, was sich
wirklich ereignete, mit vollen Sinnen aufnehmen zu können.
Wie hinter wirbelnden, blutroten Nebeln, gewahrte er die Umrisse
von Gigantopolis, die sich schärfer aus dem Nichts
heraushoben.
Apokalypta ließ die Stadt, in der sie wirklich zu Hause war
und die absolute Herrschaft ausübte, aus dem Nichts heraus
entstehen.
Kaphoon bemerkte, wie sich wieder mißtrauische,
analysierende Gedanken bemerkbar machten, die immer dann aufkamen,
wenn es um Gigantopolis ging. Er fragte sich, ob die dämonische
Kriegsherrin nicht, wie in so vielen Fällen, falsche Tatsachen
vorspiegelte, eben ein großes Theater, einen Bluff
veranstaltete – sondern ob sie wirklich imstande war, jenes
Reich einfach verschwinden zu lassen, in das sie ursprünglich
gehörte.
Bis zur Stunde war es ihm noch nicht gelungen, das
herauszufinden.
Dabei wußte er, daß er den Schlüssel zu dem
Geheimnis in seinem Bewußtsein trug. Doch der Weg dorthin war
ihm auf eine rätselhafte Weise verschüttet.
Anyxa jagte wie von Sinnen davon.
Das wellige, hügelige Land fiel sanft zum Meer hin ab. Eine
frische Brise wehte dem Erschöpften in das heiße, fiebrige
Gesicht.
Unwillkürlich und ohne daß es ihm bewußt wurde,
öffnete er den Mund und atmete gierig die klare Luft.
Das weiße Pferd schlug Haken wie ein Hase. Selbst jetzt,
nach diesem hastigen Lauf, diesem hohen Tempo, waren Anyxas
Kräfte kaum in Mitleidenschaft gezogen. Ihr Atem war nicht
beschleunigt, ihr Herz schlug ebenfalls nicht schneller. Es war gut,
daß dieses Tier noch solche Kraftreserven aufbrachte.
Anyxa verschwand hinter einem hohen Hügel, der bewaldet war.
Kaphoon bekam dies nur beiläufig mit.
»Halte durch…« stieß er heiser hervor.
»Du weißt, worauf’s ankommt… führe mich weg
aus dieser Gefahr. Ich darf ihm nicht – zumindest nicht unter
diesen Vorzeichen – noch mal begegnen. Es geht nicht um meinen
Tod hier in dieser Zeit – es geht dabei um viel mehr. Aber das
eben kann er nicht mehr erkennen. Lauf, Anyxa, lauf!«
Immer wieder diese gleichklingenden Worte, die er in einem
bestimmten Rhythmus sprach.
Anyxa war auf den Tonfall dieser Worte
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