Macabros 070: Eissturmland des Drachenkönigs
hallten schaurig durch den Passagierraum.
Die junge, rothaarige Frau neben Joe Brownen wollte ihrem Nachbarn
noch etwas sagen, aber der war plötzlich verschwunden, als
hätte er sich in Luft aufgelöst.
Der Platz neben ihr – war leer!
*
Joe Brownen gefror im gleichen Augenblick das Lächeln auf den
Lippen, das er der jungen Fremden gönnte.
Die war plötzlich nicht mehr neben ihm, und er saß
nicht mehr in der Maschine, die krachend zwischen die steil
aufragenden Eisfelsen raste, ein Schemen inmitten der
aufrührerischen Naturgewalten war, zu ihrem Spielball wurde und
im Flug noch an den Eisbergen zerschellte.
Joe Brownen aber fühlte festen Boden unter den
Füßen.
Verkehrslärm… viele Menschen… flackernde
Lichtreklamen…
Er befand sich am Rand eines Bürgersteigs inmitten einer
belebten, fremdartigen Stadt.
Japanische Schriftzeichen auf den Leuchtreklamen…
Die Menschen – Japaner…
Joe Brownen stockte der Atem.
Er schluckte trocken und hielt alles für einen schlechten
Traum.
Da stand er nun… mit geöffnetem Schlips,
schweißbedecktem Gesicht, weiß wie eine Kalkwand, die
Haare zerzaust.
Er trug nichts weiter auf dem Leib als seinen Anzug, in dem zum
Glück seine Brieftasche steckte, mit einigen Geldscheinen,
Reiseschecks und Ausweispapieren.
Sein Handgepäck – befand sich in der Maschine…
Er selbst aber stand mitten in Tokio.
Er hatte sein Ziel erreicht.
In seiner Brieftasche lag der verschlossene Umschlag, den er an
einer ganz bestimmten Adresse abgeben mußte, und von dem er
wußte, was er enthielt.
Eine Nachricht an – Molochos…
*
Es gab nicht mal eine Detonation, als das Flugzeug wie eine
Seifenblase platzte.
Die Menschen darin merkten nichts mehr von ihrem Untergang.
Und es war ein Untergang, der nicht in der Welt stattfand, aus der
sie kamen.
Eine eigenartige und aufs äußerste konzentrierte
Ansammlung elektro- und erdmagnetischer Wellen führte das
Unglück herbei.
Es war auch verantwortlich zu machen dafür, daß die
Armaturen und die Elektronik der Boeing 747 auf dem Flug nach Tokio
derart beeinflußt worden waren, daß der Pilot
irrtümlich stundenlang in die falsche Richtung flog, ehe er
seinen Fehler bemerkte.
Doch dann war es zu spät, um ihn noch rückgängig zu
machen.
Es schien, als wären die Schichten zwischen den Dimensionen
durchlässig geworden wie ein weitmaschiger Schleier, der, vor
eine Türöffnung gespannt, lästigen Insekten die
Möglichkeit gab, die Menschen zu passieren…
Von alledem aber merkten der Flugkapitän, seine Crew und die
Passagiere nicht mehr das geringste.
Für sie war die Welt, in die sie kamen, real.
Es war eine weiße, aus Eis und Schnee bestehende Welt, in
der hunderte von Türmen aus dem ewigen Eis ragten, aussahen wie
überdimensionale Zuckerhüte oder Eiszapfen, und in denen es
hunderte von dicht aneinanderliegenden Fenstern gab.
Es war das – Eissturmland des Drachenkönigs!
Der Jumbo fiel aus der Gegenwart in eine ferne Vergangenheit, als
auf der Erde große Eiszeiten herrschten und sich riesige
Schollen über die Kontinente wälzten und ganze Landschaften
und Wälder unter sich begruben.
Der Augenblick, wo die Maschine detonierte und alle Passagiere
umkamen, lag etwa sechzig- bis achtzigtausend Jahre vor der Zeit, in
der Snyder den Jumbo von New York nach Tokio gesteuert hatte.
Und dieser Zeitpunkt wiederum war mehr als vierzigtausend Jahre
älter als jener, wo die »Amundsen« ins ewige Eis
geraten war und die beiden Überlebenden – Janine Francoise
und Pierre Chanel, den Zusammenstoß mit den Kriegern des
Drachenkönigs brachte…
In jenem Moment, als der Jumbo zerbrach, passierte ein anderes,
unfaßbares Gebilde den Raum zwischen den Dimensionen und
Zeiten, das aussah wie eine gigantische, zerfließende Stadt,
die nur aus Mauern, hochragenden Türmen und verwinkelten,
ineinander laufenden, brückenähnlichen Gebilden bestand,
die jedes einzelne Gebäude miteinander zu verbinden
schienen.
Das war – Gigantopolis, die Alptraumstadt, die Apokalypta auf
die lange Reise in das Nichts geschickt hatte…
*
Der Boden unter ihren Füßen erzitterte; die Planken und
Wände des Wracks schienen von riesigen Fäusten
geschüttelt zu werden.
Die Kolosse näherten sich so schnell, daß Janine und
Pierre nicht mehr dazu kamen, einen Fluchtgedanken in die Tat
umzusetzen.
Wohin hätten sie sich auch wenden sollen?
Sie waren in einer Sackgasse angekommen und überall hier auf
dieser Welt
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