Macabros 071: Spinnenritter greifen an
konnte…
Welche Rätsel barg diese Welt, die man noch nicht kannte?
Welche Rätsel, die zwar manch einer ahnte, über die er
vielleicht auch etwas wußte und über die dann doch niemand
zu sprechen wagte?
Das ungeheuerliche Reittier jagte über den unebenen Boden
hinweg, lief dann auf das am weitesten stehende, baufällige Haus
zu, das gleichzeitig das größte Gebäude der
ausgestorbenen Ortschaft Meronja war, und blieb dort auf ein leises
Kommando seines Reiters plötzlich stehen.
Ein scharfer Ruck ging durch den Körper, und Bannister wurden
die Beine unterm Leib weggerissen.
Er stürzte und raffte sich wieder auf.
Was würde jetzt aus ihm werden?
Im nächsten Moment schob sich ein langer, dunkelroter Dorn
aus dem ringförmigen Schlund hinter ihm.
Der Stachel schnellte nach vorn, durchstieß die
äußere Hülle seiner Kleider und bohrte sich in seine
Haut.
Bannister kam nicht mal mehr dazu, vor Schmerz zu schreien.
Das dumpfe, betäubende Gefühl an der Einstichstelle
breitete sich rasendschnell über seinen Körper aus,
erfaßte seine Hüften, seinen Brustkorb, die Schultern,
Oberarme, Hals und Kopf. Er hatte das Gefühl, in einem Meer aus
Watte zu schwimmen.
Alles stimmte nicht mehr, seine Sinne reagierten auf keine
Bewegung und keinen Lichtstrahl. Er wußte nicht mehr, wo oben
und unten war.
Wie ein Trunkener rollte er über die harte
Chitinoberfläche im Innern des Mauls, wo der giftige Dorn der
unheimlichen Spinne sich wieder in den Schlund zurückzog.
Das Tier war gewohnt, auf diese Weise seine Beute zu betäuben
und dann zu erlegen.
Bannister war in diesen Minuten nichts anderes als eine Beute, die
aus einem schier unerfindlichen Grund von dem bizarren Geschöpf
jedoch nicht angenommen worden war.
Für den Mann aus New York, der als Hans Gerhold in Berlin
lebte, stellte sich jedoch die Frage nicht mehr.
Bannisters Hirn war seltsam dunkel und gefühllos.
Er kam sich vor wie auf der Grenze zwischen Wachsein und Schlaf,
ohne jedoch weder nach der einen noch der anderen Seite ausweichen zu
können.
Er merkte etwas und spürte es doch nicht, er dämmerte
vor sich hin, ohne wirklich zu schlafen.
Das Spinnenmaul öffnete sich, kippte nach unten weg und auf
der glatten Chitinoberfläche rutschte Bannister in den Winkel
der vordersten Zahnreihe, wo er wie hinter Gitterstäben liegen
blieb.
Dann sprangen die klapperdürren, fahlen Gestalten mit dem
dünnen Armen und Beinen von dem harten, klobigen Spinnenleib ab
und kamen mit seltsam schlenkernden Bewegungen näher.
In der Bewegung der Fremden war selbst etwas Spinnenartiges
enthalten.
Die großen runden, tiefliegenden Augen schienen nur aus
einer schwarzen, schimmernden Pupille zu bestehen, der rundum nichts
entging. Die Nase war seltsam gerade, fast nur ein Strich in diesem
Gesicht mit den hohen Wangenknochen und den eng anliegenden, kaum
sichtbaren Ohren, die Verknöcherungen an dem bleichen
Schädel darstellten.
Die Wesen waren zwischen ein Meter sechzig und ein Meter siebzig
groß, gingen leicht gebeugt und hielten den Kopf auf die
Schultern gezogen, als fürchteten sie jeden Augenblick von
irgendwoher aus der Dunkelheit einen Angriff, der ihnen etwas
zufügen könnte.
Sie wirkten scheu und unterhielten sich mit leise wispernden
Stimmen, denen nichts Menschliches anhaftete.
Es war eine Kette von vielseitigen Geräuschen und Lauten, die
man nicht als Worte bezeichnen konnte.
Es war gerade so, als ob Tiere sich untereinander
verständigten.
Mit den gleichen Signalen hatten sie vorhin ihre unheimlichen
Reittiere angetrieben, die darauf dressiert waren wie ein gehorsamer
Hund.
Die Geschöpfe mit den dürren Armen und Beinen, den
schmalen, knochigen Fingern, verfügten nur über wenig
Kraft. Dies stellte sich heraus, als vier Stück von ihnen
notwendig waren, um den nicht allzu schweren James Bannister aus gern
geöffneten Maul der sich still verhaltenden Spinne zu heben.
Sie gingen bei dem Manöver nicht besonders vorsichtig mit dem
Fremden um. Der Mann, der gekommen war, Joe Brownen zu beschatten,
blieb mit dem linken Ärmel seines Mantels an einem der spitzen
Zähne hängen. Der Stoff riß auf, als seine seltsamen
Entführer heftig an seinen Armen rissen, um ihn doch noch aus
dem Maul der Spinne zu ziehen.
Dabei fiel Bannister mit Kopf und Schulter auf den harten,
steinigen Boden, ohne jedoch das Geringste davon zu
verspüren.
Das betäubende, lähmende Gift hatte sich in all seinen
Zellen eingenistet und machte ihn völlig
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