Macabros 081: Wrack der namenlosen Götter
gloste. Im
Abstand von einigen Metern standen flache, glatte Liegen.
Alle waren leer.
Carminia war kopflos und wußte nicht, wohin sie sich begeben
sollte. Sie fühlte nur das eine: Weg von hier, keine Sekunde
langer bleiben als unbedingt notwendig!
Sie lief los, einfach in eine der engen Gassen.
Seltsam, daß außer der Alten, die eine vertrocknete
Kopie ihres Körpers war, sonst niemand mehr zu hören und zu
sehen war. Vor wenigen Augenblicken noch hätte sie schwören
können, emsige Geschäftigkeit um sich herum
wahrzunehmen.
Klakkk – blitzschnell schnellte die glatte Oberfläche
einer Liege empor und stand aufrecht wie eine Mauer vor ihr. Carminia
schrie auf und wäre fast gegen das Hindernis geprallt.
Die enge Gasse war versperrt. Senkrecht stand die glatte,
fugenlose Fläche vor ihr – wurde zur Tür, die
scheppernd zuflog. Eine Gestalt sprang ihr entgegen und hielt beide
Hände nach ihr ausgestreckt.
Die Brasilianerin warf sich herum. Das Grauen saß ihr im
Nacken.
Das Geschöpf, das vor ihr stand, war sie selbst. Sie sah sich
wie im Spiegelbild, nur mit dem bemerkenswerten Unterschied,
daß dieses sich selbständig machte und eigene Bewegungen
ausführte!
Die Frau vor ihr war Carminia Brado, jung, schön und
verführerisch. Es gab keinen Unterschied zwischen ihr und der
Wirklichen!
Die Brasilianerin warf keinen Blick mehr zurück, lief in
Panik bis zur nächsten Gasse und erlebte das gleiche.
Klakkk… surrend richtete die Liege sich auf, die glatte
Fläche wurde aufgestoßen, und Carminia Brado sprang sich
selbst entgegen!
Die Frau erlebte denselben Fall in der nächsten Gasse und
nahm nur beiläufig wahr, daß sie sich praktisch im Kreis
bewegte und nicht von der Stelle kam.
Nur wenige Minuten dauerte es, und ringsum wimmelte es von
Carminia-Brado-Kopien, die sie auslachten, auf sie deuteten und
schließlich umringten.
Es gab kein Vor und Zurück mehr für sie!
Sie war umzingelt von ihren eigenen Spiegelbildern und kam sich
vor wie in einem Spiegelkabinett, in dem der Satan
höchstpersönlich Regie führte.
Alle Spiegelbilder lebten, jedes bewegte sich auf eine andere
Art.
Carminia zählte insgesamt dreißig Kopien von sich, und
laufend wurden es mehr. Weitere tauchten in der fernen Düsternis
der unterirdischen Horror-Halle auf und gesellten sich zu den
anderen. Rundum wimmelte es von Carminia Brados…
Ich hab’ den Verstand verloren, breitete sich langsam die
Gewißheit in ihr aus.
»Nein – du wirst mit der Wirklichkeit
konfrontiert!« antwortete da die Stimme Nh’or Thruus aus
dem Nichts. »Und nichts ist fantastischer als sie!«
Carminia blickte sich nervös um. »Wo bist du? Warum
zeigst du dich nicht? Ist es noch immer nicht genug, was du mit mir
angestellt hast?«
»Du sprichst mir aus dem Herzen, armseliger Erdenwurm! Genug?
Oh, nein! Noch lange nicht. So schnell bricht Nh’or Thruu sein
Spiel nicht ab. Es hat gerade erst begonnen. Das alles ist erst das
Vorspiel. Die interessanten Szenen werden in dem Augenblick
Wirklichkeit, da er – Björn Hellmark – dir begegnet,
folgt – und dich hier in vielfältiger Kopie
wiedersieht.«
»Das ist grausam!« stieß Carminia hervor.
»Grausamkeit ist Nh’or Thruus Lebensinhalt, ist seine
Welt, hier wirkt und wünscht er. Und seine Wünsche werden
Realität! Das Leben ist nur ein Spiel. Man muß die
Fäden entwirren oder zusammenführen, je nachdem, wie es
sich ergibt. Grausam ist es – für dich - dich hier in
tausendfältiger Form zu sehen. Für mich aber ist es eine
Freude, ein Triumph. Grausam für dich ist es, dem Mann zu
begegnen, den du liebst – und der dich im ersten Moment nicht
wiedererkennen wird. Denn für dich ist eine Stunde vergangen,
für ihn sind hundert Jahre, in denen du auch um hundert Jahre
älter geworden bist. So wird er dich wiedersehen und nicht
verstehen. Das wird der erste Schock für ihn sein. Von
Stund’ an wird sein Leben keinen Sinn mehr haben. Dieser Punkt
der Erkenntnis wird der Augenblick sein, wo ich den zweiten Teil
meines Spiels beginnen werde…«
Er lachte dämonisch. Es klang schaurig in der bizarren,
gespenstischen Halle, die an eine einzige große Werkstätte
erinnerte, in der Nh’or Thruu seine Puppen herstellen
ließ. Doch die helfenden Hände, die ihm dabei zur
Verfügung standen – zu wem gehörten sie? Wer waren die
»Arbeitskräfte«, deren er sich bediente?
Zwischen den Carminia-Puppen öffnete sich eine Gasse.
Ungeschoren konnte die Brasilianerin sie passieren. Sie
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