Macabros 082: Das magische Vermächtnis der grauen Riesen
Jean Rogg deutete
mit zitternder Hand auf den blutbesudelten Boden. »Ich habe
Chancell… selbst abreisen sehen…«
»Aber nun ist er ganz plötzlich wie ein Geist hier
wieder aufgetaucht, wie?« sagte der Polizeibeamte mit belegter
Stimme.
Rogg blickte abwechselnd auf den Toten, dann wieder auf den
Polizisten. »Ja… wie ein Geist… vor einer halben
Minute war er noch nicht da… es klingt verrückt, ich
weiß. Aber es ist die reine Wahrheit! Ich bin ein Dieb –
aber kein Mörder… ich habe diesen Mann da nicht
getötet…«
Jean Roggs Verhalten erweckte ganz den Eindruck, als ob er die
Wahrheit sagte.
Er unternahm keinen Fluchtversuch, schien im Gegenteil froh
darüber zu sein, daß unerwartet die Polizei aufgetaucht
war…
»Es wird sich alles aufklären«, murmelte er
benommen.
»Das denke ich auch. Bitte, kommen Sie mit. Ich muß Sie
wegen Mordverdacht am Besitzer dieses Hauses
festnehmen…«
*
Zur gleichen Stunde an einem anderen Ort. Dieser Punkt befand sich
ebenfalls in dieser Welt, und doch war er so winzig, daß
niemand ihn selbst mit dem leistungsstärksten
Elektronenmikroskop geschweige denn mit bloßem Auge hätte
wahrnehmen können.
Es war die Welt des mikroskopisch Kleinen, die Welt, die ihre
eigenen Gesetzte hatte, unendlich und unüberschaubar war wie der
Makrokosmos, das sternenübersäte All, in dem auch die Erde
nur als ein Staubkorn galt.
Im Kleinen wie im Großen spielten sich weltbewegende
Schicksale ab…
Ein Mensch aus der ›Normalwelt‹ war in die des
mikroskopisch Kleinen verschlagen worden.
Björn Hellmark, der Mann, der sein Leben dem Kampf gegen
finstere Machte gewidmet hatte, war einer der Unglücklichen, mit
denen es das Schicksal nicht gut meinte.
Ihm war jegliches Zeitgefühl verloren gegangen. Sein Zustand
kam ihm vor wie ein Traum.
Die schaurigen Ereignisse, gesteuert durch den Herrn dieser Welt,
Nh’or Thruu, hatten ihn ganz in ihren Bann gezogen. Seltsames
war bisher geschehen…
Zuerst war Arson wieder aufgetaucht. Doch um Jahrzehnte gealtert.
Ein Mann, schwach und kraftlos, ein Greis… Dann wurde Carminia,
die Frau, die er liebte, entführt – und kreuzte wenig
später ebenfalls wieder seinen Weg. Doch wie sehr hatte sie sich
verändert.
Auch sie war uralt geworden. Innerhalb kürzester Zeit.
Hellmark, der zur gleichen Zeit seinen Doppelkörper Macabros
durch die unheimliche Mikroweit schickte, um das Versteck Nh’or
Thruus ausfindig zu machen, nahm sich vor, zusammen mit Carminia
dorthin zurückzukehren, wo ihr Schicksal besiegelt worden
war.
Die alte, klapprige Frau mit dem runzligen Gesicht hatte
behauptet, das Versteck Nh’or Thruus zu kennen. Björn
vertraute ihr. Das außergewöhnliche Schicksal Carminia
Brados rührte ihn. Er wollte alles daran setzen, das Geheimnis
Nh’or Thruus zu enträtseln und Carminia wieder so strahlend
schön zurück zu erhalten, wie er sie kannte, wie sie zu ihm
paßte.
Auf dem Weg in die Düsternis, jenseits des dunklen
Hügels, machte er zur gleichen Zeit mit seinem Zweitkörper
eine Entdeckung.
Die Höhle, die er mit Macabros erreichte, war ein Teil
Nh’or Thruus, den man auch den ›Irren von Zoor‹
nannte.
Und in dieser Höhle stieß er ebenfalls auf Carminia,
allerdings auf eine, wie er sie kannte, wie sie ihm vertraut war.
Jung und schön.
Sie hockte auf einer steinernen Platte, die sich in einer offenen
Nische langsam wie die Plattform eines Lifts in die Tiefe senkte.
Welche Carminia war echt?
Einen Moment war er im Zweifel, aber dann glaubte er die
Hintergründe blitzartig zu erkennen.
Nh’or Thruu spielte sein unheimliches Spiel, um ihn in
Verwirrung zu stürzen.
Hellmark aber richtete sich nach seiner plötzlichen Intuition
und ignorierte sie nicht.
Die alte Carminia, die aussah wie eine hundertjährige Frau,
war keine Verwandelte, sondern als Kopie Geschaffene! Nh’or
Thruu war bekannt dafür, daß er als Puppenmacher
fungierte, daß er Geschöpfe, die aussahen wie aus Fleisch
und Blut, in den Kampf schickte. Er bewegte die Figuren wie ein
Schachspieler…
Er wollte auch Hellmark verwirren. Das war sein erstes
Etappenziel.
Doch Björn bewies, daß er noch reagieren und denken
konnte.
Und so handelte er.
Es konnte nur eine Carminia geben. Und die glaubte er in jener
wiedererkannt zu haben, die jetzt in der Höhle tief unter der
Erde wie eine Hypnotisierte die zum Stillstand gekommene Steinplatte
verließ.
Die vermeintliche Kopie an seiner Seite aber griff er mit dem
›Schwert
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