Macabros 082: Das magische Vermächtnis der grauen Riesen
zwischen weichen, dunkelblauen Federkissen. Der Wagen
war ein einziges Bett. Auf einem Bretterregal standen verschiedene
Flaschen, die selbst zusammengemixte Nährlösungen
enthielten, wie Baktar erklärte.
»Seit er damals auf dieser Welt havarierte, ist er
gewissermaßen Familieneigentum. Mein Ur-Großvater
kümmerte sich zuerst um ihn, lernte nach und nach telepathische
Gespräche, das Schicksal und die Lebensart der Grauen kennen und
übernahm deren magisches Vermächtnis. Anfangs schien mein
Ur-Großvater überzeugt davon, daß
Rasseangehörigen eines Tages aufkreuzen und ihn mitnehmen
würden. Seit fast hundertsiebzig Jahren ist der Zustand von
›Ramos‹, wie wir ihn einfach nennen, der gleiche. Er kann
nicht sterben, aber auch nicht richtig leben. Er nimmt manchmal
Speise und Trank an, manchmal verweigert er sie. Er befindet sich in
einem Zustand permanenter Bewußtlosigkeit. Aber das bedeutet
nicht, daß er nicht spürt, was um ihn herum vorgeht. Er
hat einfach nicht mehr die Kraft, sich dorthin zu teleportieren, wo
sein Volk ist. ›Ramos‹ ist noch sehr jung. Er ist kein
ausgewachsenes Exemplar, die werden rund doppelt so
groß…«
Im Lauf seines Lebens hatte Baktar eine ganze Menge über die
grauen Riesen erfahren, mit denen auch Björn Hellmark in einem
aufregenden Abenteuer schon mal zu tun hatte.
›Ramos‹ wirkte wie ein Katalysator. Er erfüllte
eine gewisse Aufgabe jedoch offenbar nicht mechanisch, sondern schien
genau zu wissen, was dieser oder jener wollte, der zu ihm kam. Es gab
eine geistige Brücke zu denen, die Hilfe suchten.
Baktar erklärte sich ohne Zögern bereit, für Rani
die ›Reise‹ einzuleiten.
»Sie wollen weiterhin von den Resten des versteinerten Auges
nehmen?« fragte Mahay verwundert.
»Es wird mir nichts anderes übrig bleiben. Anders sind
die Geister, die sie durch alle Elemente tragen, nicht zu rufen…
ein seltener Glücksfall war die Begegnung mit dem Mann, den Sie
Ak Nafuur nannten. Er war im Besitz eines ganzen versteinerten Auges.
Aber selbst das gibt keine Gewißheit, wohin genau die Reise
geht. ›Ramos‹ ist krank, Sie sehen es selbst. Er hat keine
einwandfreie Kontrolle über derart große Unternehmungen.
Alles, was Sie vorhin im Zelt gesehen haben, war in der Tat nichts
als ein Kinderspiel. Diese Elementargeister können Sie zu allem
gebrauchen…«
Rani Mahay hörte nur mit halbem Ohr hin. Er war mit seinen
Gedanken ganz woanders.
Ak Nafuur hatte, um das Leben der im Mikrokosmos Verschollenen zu
retten, alles auf eine Karte gesetzt. Er hatte sich eines der
Manja-Augen aus der Geister-Höhle von Marlos geholt… Was
aber war aus ihm geworden? War er zu Björn und den anderen
gestoßen oder war er hineingeschleudert worden in eine ihm
völlig unbekannte Welt und hatte er dort den Tod gefunden?
Es gab zur Stunde niemand, der diese Frage beantworten
könnte.
Rani warf einen eingehenden Blick auf ›Ramos‹.
»Sie haben mir gesagt, Baktar, daß das Geheimnis um
›Ramos‹ jeweils von Vater auf den ältesten Sohn
weiterging. Wie wird es nach Ihnen weitergehen?«
Es war nicht schwer zu erraten, daß Baktar allein lebte. In
seinem Wohnwagen gab es keinen Hinweis auf eine eventuelle
Familie.
»Wenn ich nicht mehr bin, bedeutet dies auch das Ende
für ›Ramos‹. Es gibt niemand, dem ich mich anvertrauen
kann. Für alle, die nichts von ihm wissen, wird es auch nie ein
Begreifen geben. ›Ramos‹ wird für sie nichts anderes
sein, als ein – Monster…«
*
Rani Mahay war entschlossen.
»Warten Sie bitte auf mich, Baktar! Ich werde gleich
zurück sein.«
Er versetzte sich nach Marlos. Direkt in die Geister-Höhle
auf die oberste Stufe, wo ein leerer Thron aus gemeißeltem
Stein stand.
An seinem Fußende war tief eingekerbt der Name BJÖRN
HELLMARK. Wenn sein Leben zerrann, würde Hellmark diesen Platz
einnehmen – und zurückbleiben würde sein Skelett. Alle
anderen Steinthrone waren belegt mit prachtvoll bekleideten
Skeletten, die rubinrot, smaragdgrüne oder azurblaue
Umhänge trugen.
In der Geister-Höhle bewahrte Hellmark seine Trophäen
auf. Außer dem Trank der Siaris, dem Schlüssel zur Welt
Komestos II. war nur noch ein Behälter übrig, in dem
fünf Manja-Augen lagen. Komplett bestand die Sammlung aus sieben
faustgroßen, versteinerten Augen. Eines hatte Björn auf
seine Reise mitgenommen, mit dem anderen hatte Ak Nafuur den Weg in
den Mikrokosmos gesucht.
Rani nahm ein Auge an sich. Zurück blieben vier…
Er versetzte sich
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