Macabros 090: Höhle des Unheils
Krummsäbel
bewaffnet, den sie wie ein Buschmesser benutzten, um sich einen Weg
durch das Dickicht zu bahnen.
Björn und Carminia kamen schon bald an einem brackigen
Tümpel vorbei, an dem sich mehrere Wasserschweine suhlten.
In dieser Richtung, daran entsann sich Hellmark, war Jim vor
kurzem mit dem Ehepaar Mason geflüchtet, die von Lolls Stamm an
den Guuf-Totems geopfert werden sollten.
Zu den Totems und den Mythen, die dem Volk eigen waren, hatten die
Eingeborenen eine eigenartige Haßliebe entwickelt. Sie brachten
den Totems Opfer dar, aus Ehrfurcht und Angst, aber auch als Zeichen
ihrer Abneigung.
Zahllose Insekten umschwirrten die beiden Menschen. Carminia war
ständig bemüht, die Plagegeister zu vertreiben,
während Björn hochwachsende Gräser, verschlungene
Lianen und mannshohes Buschwerk abschlug, damit sie vorankamen.
Ihre Aufmerksamkeit war ständig auf die nähere Umgebung
ausgerichtet, auf ungewöhnliche Geräusche, die nicht in die
Wildnis paßten.
Sie entdeckten nichts Außergewöhnliches.
Das betraf die ersten dreißig Minuten.
Dann hielt Carminia Hellmark plötzlich am Arm fest.
»Björn«, stieß sie hervor. »Das ist
etwas…«
»Es war ein Stück Stoff, das an einem Ast hing. Blut
klebte daran.«
Als das Paar zwei Schritte seitwärts ging, entdeckte es auch
abgebrochene Zweige und abgerissene Blätter. Der Boden war
zertrampelt.
Hier war jemand vor ihnen gelaufen.
Und es konnte noch gar nicht so lange her sein… Die Spuren
waren noch frisch.
Björn löste den Fetzen vorsichtig vom Zweig. Er kannte
den Stoff. »Das ist ein Stück aus Lolls Hemd«, sagte
er leise.
Er sah sich um. Carminia blieb an seiner Seite, als er sich einen
Weg durch die Büsche schlug.
Hellmark brauchte nur dem niedergetrampelten Gras zu folgen.
Die Spur führte genau zum Ziel.
Aber was für eines!
»Oh, mein Gott!« Carminia Brado wurde weiß wie ein
Leinentuch.
Vor ihnen befand sich eine kleine Lichtung, die von alten
Bäumen umstanden war. Mitten auf der Lichtung lag ein
Mensch.
Loll!
Doch das war noch nicht alles.
Mitten auf seinem Leib stand ein kerzengerade wachsender Pfahl,
der als ein grotesk aussehender Totem geschnitzt war. Der dicke Kopf
im oberen Drittel war kugelrund, trug einen Kamm wie eine Echse,
große, runde Augen und einen breiten, grinsenden Mund.
Es war ein Guuf.
»Loll?!« Hellmark lief zu dem Liegenden, und erst beim
Näherkommen begriff er, daß Loll sich nie wieder bewegen
würde und sprechen konnte.
Der Totempfahl – ganz offensichtlich einer aus der
rätselhaften Höhle des Unheils – stand nicht auf Lolls
Brust, sondern hatte ihn wie ein überdimensionaler Pfeil
durchbohrt und war durch seinen Körper gewachsen wie ein
Baumstamm…
*
Sie waren wie erstarrt.
Hellmarks Herz setzte einen Schlag lang aus, Carminia wandte sich
schaudernd ab.
Da hörten sie das leise Stöhnen.
Das verstärkte ihr Grauen noch.
Ihre erste Vermutung, daß Loll nicht mehr leben konnte,
wurde in diesem Moment widerlegt.
Er war schwer verletzt, atmete kaum noch und schlug matt die Augen
auf.
»Elaine?« fragte er wie in Trance.
Er hatte etwas gehört und verwechselte in seiner Todesstunde
Traum und Wirklichkeit.
Hellmark kniete neben dem Verletzten. »Nein, ich bin’s
Loll…«, sagte er tonlos.
Um die bleichen Lippen zuckte es. Ein verklärter Ausdruck lag
auf dem Gesicht des weißen Eingeborenen-Häuptlings, den
sein Stamm aus einem rätselhaften Grund im Stich gelassen hatte.
Ein besonderes Vorkommnis hatte sie veranlaßt, ihre ganze
bisherige Einstellung über den Haufen zu werfen. Seit einem
Vierteljahr hundert folgten sie diesem Mann, verehrten ihn selbst wie
einen Gott und ließen ihn dann von einer Minute zur anderen
fallen. Das mußte einen besonderen Grund haben…
»Was ist passiert Loll?« Hellmark fiel das Sprechen
schwer. Er fühlte sich hilflos. Er konnte nichts für diesen
Mann tun. Den Pfahl wie einen Pfeil aus der Brust zu lösen und
die Wunde zu versorgen, war nicht möglich.
Jeden Augenblick mußte das Leben, das in diesem Körper
nur noch wie ein Hauch war, endgültig verlöschen.
»Flieht… «, sagte der einst aus England gekommene
Abenteurer kaum vernehmbar. »Ich erinnere mich an dich…
meine Zeit läuft ab… ich habe keine Schmerzen, nein…
ich werde bald ›drüben‹ sein… bei
Elaine…«
Er hatte sie noch immer nicht vergessen. Wie groß und stark
mußte seine Liebe sein, daß sie seit einem
Vierteljahrhundert sein Herz erfüllte, ein
Weitere Kostenlose Bücher