Macabros 097: Das Grab in Lemuria

für angebracht, auch eine Person seines Vertrauens zu
Rate zu ziehen und ihm Mitteilung von der Warnung zu machen, die
Shoam an eine Handvoll Auserwählter gegeben hatte, eindeutig
jedoch verbunden mit der Aufforderurig, Schlimmeres zu verhüten.
Seine Warnung schien jedoch zu spät gekommen zu sein. Im Fall
Harrison schien sich dies schon zu bestätigen.
    Patrick parkte sein Auto in einer düsteren, verlassenen
Seitenstraße, in der ein paar verslumte Häuser standen,
die von Asozialen und Farbigen bewohnt wurden.
    Hinter einem riesigen Bretterverschlag, der ein abgerissenes Haus
abschirmte, stellte er den Wagen ab.
    Hier war Richard Patrick sicher, nicht beobachtet zu werden. Und
darauf kam es ihm an.
    Patrick war einer der engsten Vertrauten Björn Hellmarks. Wie
die Marlos-Bewohner, so hatte auch er seit einiger Zeit die Gabe, von
jedem Punkt der Welt aus die Insel aufzusuchen. Durch Gedankenkraft,
durch Teleportation. Sie wurde – nur für diesen speziellen
Fall – anwendbar. Nur wer längere Zeit auf der Insel
verbracht hatte, verfügte mit einem Mal über die Gabe. Es
wurden dafür geheimnisvolle Kräfte im Innern des
unsichtbaren Eilands verantwortlich gemacht. Sie beeinflußten
bestimmte Hirnzellen, die nach einer bestimmten
›Bestrahlungszeit‹ paranormal reagierten.
    Richard Patrick verriegelte den Wagen, schloß einen Moment
die Augen und konzentrierte sich auf Marlos.
    Im nächsten Moment war der Sitz am Lenkrad leer.
    Patricks Umgebung veränderte sich schlagartig.
    Die dunkle Straße wurde zum blendend weißen
Sandstrand.
    Auf ihm kam er an, in der gleichen Hockstellung, in der er im
Wagen gesessen hatte.
    Blauer Himmel, leise raunende Palmblätter in einer sanften
Brise, die vom tintenblauen Meer herwehte.
    Marlos!
    Patrick schraubte sich aus der Hocke in die Höhe, als schon
jemand auf ihn zurannte.
    Pepe, schwarzgelockt, geboren in den Urwäldern
Yucatáns, tauchte neben dem Ankömmling auf.
    »Ich muß zu Björn«, sagte Patrick ernst. Er,
der sonst bei seinen seltenen Inselbesuchen immer zu einem Scherz
aufgelegt war, vergaß sogar, Pepes höfliches
›Hallo‹ zu erwidern.
    Der Junge merkte sofort, daß etwas im argen lag.
    »Er ist nicht da, Mister Patrick…«
    »Wann kommt er zurück?«
    »Das kann man nie sagen, wie Sie wissen.«
    Patrick nagte an der Unterlippe und legte seine Rechte um Pepes
Schulter. »Ich kann mich nicht lange aufhalten«, er blickte
sich rasch um. Im Schatten einer Hütte hockte Jim’, der
Guuf, und blätterte in einem Buch. Auch Jim kam zum Strand
hinuntergerannt, auf den Patrick sich teleportiert hatte.
»Carminia ist auch nicht da, wie?«
    »Nein. Rani, Arson und Danielle auch nicht. Wir haben
strengste Order, uns vom Geist-Spiegel des Hestus fern zu
halten.«
    »Wenn Björn zurückkommt, sage ihm, daß ich
ihn dringend sprechen muß. Und wenn etwas sein sollte, was
dieses Gespräch verhindert, dann gib ihm wenigstens diesen Brief
von mir, okay?«
    »Okay, Mister Patrick.«
    Der Verleger hielt sich keine fünf Minuten auf der Insel
auf.
    »Vielleicht komme ich auch noch mal zurück«, sagte
er, bevor er nach New York in seinen Wagen teleportierte. »Es
ist nicht ausgeschlossen, daß ich mich hier verstecken
muß…«
    Er gab weder Pepe noch Jim die Gelegenheit, ihm eine Frage zu
stellen.
    Marga und Ulrich Koster, die zwei weiter zurückversetzte
Hütten oberhalb einer Düne bewohnten, sahen den Fremden
auch wieder verschwinden und erfuhren wenig später von Pepe, wer
der Besucher gewesen war.
    Pepe sah nachdenklich aus. »Etwas bedrückte ihn«,
murmelte er gedankenversunken. »So komisch habe ich Mister
Patrick noch nie gesehen. Hoffentlich kommt Björn bald
zurück…«
     
    *
     
    Als er im Wagen materialisierte, sah er etwa zwanzig Meter von
sich entfernt eine dunkle, schattenhafte Gestalt die Straße
entlangkommen.
    Patrick verhielt sich still und wollte erst starten, wenn die
Gestalt vorüber war.
    Etwas an der Art und Weise, wie der Mann sich bewegte, kam ihm
bekannt vor:
    Dann war der Fremde nur noch zwei Schritte von der Bretterwand
entfernt, und Richard Patrick sah den Mann.
    Es war der Psychologe Dr. Jerry Orthman!
    Der Wissenschaftler, der durch seine psychologischen und
parapsychologischen Untersuchungen weit über die Grenzen seines
Landes bekannt geworden war und ebenfalls mehrere Bücher
veröffentlicht hatte, war gleich ihm heute abend Gast im Haus
des Guru gewesen!
    In Patrick schlug eine Alarmglocke an.
    Orthmann bewegte sich abwesend – wie