Macabros 099: Die Seelenfresser von Lemuria
hatte sich auf seine Weise Leben und Wärme
geholt. Jener unheimliche Keim, den der Mordbaum in sich trug, schien
auf Bill Jeffers übergegangen zu sein…
Jeffers öffnete die Tür, ohne auch nur noch einen Blick
zurückzuwerfen.
Sue im Nebenzimmer hielt den Atem an, als sie das Klappen
vernahm.
Die Blondine hatte den Fernsehapparat ausgeschaltet und
blätterte in einem Magazin.
Jedes der Mädchen, die hier ein Zimmer hatten, wußte um
die Gefahr, die alle betraf.
Es gab immer wieder mal merkwürdige Kunden, und so war es
gut, wenn die anderen bei solchen Besuchen Augen und Ohren
aufhielten, um ein eventuelles Verbrechen rechtzeitig zu
verhindern.
Sie wunderte sich, daß die Tür des Nebenzimmers sich
bewegte.
Deshalb sprang sie aus dem Bett, lief auf Zehenspitzen an ihre
Tür und öffnete sie vorsichtig. Sie sah die dunkle Gestalt
durch den langen, schwach beleuchteten Korridor gehen.
Der Mann wandte nicht den Kopf und schien sich völlig sicher
zu fühlen.
Sie huschte auf den Gang. Die Tür zu Caseys Zimmer war nur
angelehnt.
Die Blondine stieß sie auf und sah die reglose Gestalt neben
dem Sessel liegen…
»Neeeiiinnn! Der Schweinehund! Er hat sie umgebracht…
Sally! Mary… Kate… haltet ihn! Laßt ihn nicht
entkommen!«
Sue nahm sich in diesen Sekunden nicht die Zeit, ihre Freundin auf
mögliche Verletzungen zu untersuchen. Für sie war es im
ersten Moment wichtiger, den Täter nicht aus den Augen zu
verlieren.
Und dazu tat sie selbst etwas.
Sie lief in ihr Zimmer zurück.
Bill Jeffers sah es. Er machte auf dem Absatz kehrt und begann zu
rennen.
Zwei, drei Zimmertüren flogen auf, im Stockwerk darunter
entstand ebenfalls Unruhe. Stimmen wurden laut.
Sie warf sich auf ihr Bett. Unter der Matratze gab es einen
kleinen Hohlraum. Darin lag die Waffe. Die Blondine hatte sich
vorgenommen, nicht so leichtfertig zu sein wie ihre Kolleginnen. Wenn
mal eine Situation eintrat, in der es darum ging, daß sie um
ihr Leben kämpfen mußte, dann wollte sie dem anderen seine
Absicht so schwer wie möglich machen.
Sie riß die Hand mit dem Revolver herum, als Jeffers wie ein
Schatten ins Zimmer stürzte.
Sue zögerte keine Sekunde und drückte ab. Einmal.
Zweimal. Die Schüsse hallten hart und trocken durch den
Raum.
Die Projektile trafen. Aus dieser Nähe zum Objekt war es fast
unmöglich, nicht zu treffen. Die erste Kugel drang Jeffers in
die Brust, die zweite mitten in die Stirn. Ein Schuß zumindest
mußte ihn fällen – aber nichts geschah!
Die Blondine schrie. Der Mann hechtete auf sie, entwand ihr die
Waffe und schleuderte sie in hohem Bogen durch den Raum.
Sue spürte die tödliche Kälte, die in ihre Glieder
kroch. Die Berührung durch den Untoten genügte, daß
sie ihren Geist aushauchte.
Während sie vom Bett glitt, sprang Jeffers auf das Fenster
zu.
Durch die Tür drangen mehrere Prostituierte, schrien und
riefen alles mögliche durcheinander.
Jeffers wäre selbst durch diese Mauer aus Leibern gekommen,
wenn er es darauf angelegt hätte. Aber er hatte es mit einem Mal
sehr eilig.
Er riß das Fenster auf und sprang einfach in die
Tiefe…
Das Zimmer lag in der dritten Etage.
Die Mädchen aus dem Freudenhaus stürzten zu dem weit
offen stehenden Fenster und sahen, wie der dunkle Körper unten
aufschlug.
»Den hat’s erwischt«, sagte Kate.
»Recht geschieht ihm«, preßte Sally hervor. Sie
war eine Negerin. »Ruft die Polizei und einen Arzt! Er muß
sich Sue ansehen – viel kann ihr in dem Moment nicht passiert
sein. Und den Kerl dort unten werden sich die Cops vorknöpfen,
falls er überhaupt noch einen Ton sagen kann. Daran ist ja zu
zweifeln. Er ist ein Kandidat für den
Totengräber…« So gründlich wie in diesen Sekunden
hatte die dicke Sally sich noch nie geirrt.
»Su ist tot!« Ein junges Mädchen, zart,
zerbrechlich, höchstens zwanzig, mit einer Blume im Haar, hockte
am Boden neben der Blondine. »Sie atmet nicht mehr!«
Sally schnaubte wie ein Walroß. »Aber das gibt’s
doch nicht! Er hat sie doch nur angefaßt und…«
Da kam die nächste Hiobsbotschaft.
»Der Kerl dort unten!« Kates Stimme überschlug
sich. »Er steht auf – und rennt davon!«
Sie drängten ans Fenster.
Tatsächlich!
Der unheimliche Besucher aus Zimmer 27 kam auf die Beine, wankte
nicht mal, war nicht benommen und offensichtlich nicht mal verletzt!
Er hatte den Sprung aus dem dritten Stock ohne Schaden
überstanden?!
Sie konnten es alle nicht fassen.
Und doch mehr entzog sich ihrem
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