Macabros 104: Höllenspuk
Dimensionsschacht… da gab es die
Gewölbegruft mit den steinernen Särgen… es existierten
im Anbau Zimmer, deren Fensterläden stets geschlossen waren und
die immer in Dunkelheit lagen. In diesen Zimmern standen einfache
Altäre. Darauf eine schwarze Kerze, darüber hing ein Bild,
das eine nebelverhangene, fremdartige Landschaft zeigte… Waren
diese Bilder Tore in eine Jenseitswelt, in jenes
»Zwischenreich«, das Charmaine Fraque bereits mehrere Male
erwähnte, wenn sie von ihren gespenstischen Gästen
sprach…
Alle diese Fragen mußte er noch klären. Vor allen
Dingen wollte er die Brücke finden, die sie zu Molochos und
Rha-Ta-N’my geschlagen hatte. Er hoffte nur, daß seine
bisherige Erfolglosigkeit im Zusammenhang mit Charmaine Fraque die
Dämonischen nicht noch mehr aufgewühlt hatte, als sie es
nach dem momentanen Sieg über Björn Hellmark an sich schon
waren. Er durfte jetzt Charmaine Fraque nicht zu Atem kommen lassen.
Eindeutig hatte er erkannt, daß ihre Kraft am Tag begrenzt war.
Sie hatte sich durch Hypnose und Trugbilder geschützt. Ein
Zeichen, daß sie eine Entdeckung durch ihn so lange wie
möglich vermeiden wollte. Wenn er auf sie stieß –
vielleicht lag sie ganz und gar wie Vampire anderer Art tagsüber
in einem der Särge! – war sie möglicherweise
schütz- und hilflos. Und erst mit Einbruch der Dunkelheit begann
ihr wahres Geisterdasein.
Rani mußte sich eingestehen, daß Charmaine Fraque ein
schwerverdaulicher Brocken für sie war…
Auch seine List, als Clochard dort aufzukreuzen, war viel zu
früh durchschaut worden.
Deshalb war er nach Marlos zurückgekehrt, um sich der
schmutzigen, kratzenden Kleidung zu entledigen, die er im
Antiquitätenladen des Monsieur Henri erstanden hatte.
Der Inder sprang splitternackt ins Wasser, tauchte unter,
genoß das Meerwasser und fühlte sich wie neugeboren, als
er sich abfrottierte und in frische Kleider schlüpfte.
Die khakifarbene lange Hose und das kurzärmelige weiße
Hemd ließen seinen bronzefarbenen, sportlich gestählten
Körper besser zur Wirkung kommen als die schlampige
Clochard-Kleidung.
Danielle verstaute alles in einen handgefertigten Jute-Sack.
»Ich bring alles sofort zurück«, sagte Mahay, der
keine Minute länger als nötig auf der Insel bleiben
wollte.
»In Ordnung«, nickte die junge Französin. »Ich
begeb mich wieder auf Horchdienst… halte das Hotel im Auge und
warte, bis du kommst…«
»Einverstanden. – Achte besonders auf die Krähen,
Cherie… spätestens seit dem Zwischenfall vorhin wissen wir,
daß mit den großen schwarzen Vögeln nicht zu
spaßen ist. Sie symbolisieren offensichtlich –
Rha-Ta-N’my. Wenn etwas mit ihnen sein sollte, dann zögere
nicht, sie auf der Stelle zu töten…«
Als er dies sagte, ahnte er nicht, daß er sein eigenes
Todesurteil gesprochen hatte…
*
Nur schweren Herzens hatte er sich von der Jacke und der Hose
trennen können, die er während seiner Zeit als »der
Koloß von Bhutan« getragen hatte. Damals war er als
Zirkussensation aufgetreten, hatte ungezähmte Raubkatzen durch
seinen bloßen Willen in der Manege gebändigt und
sensationslustigen Zuschauern manche Gänsehaut damit
erzeugt.
Rani versetzte sich an die Straßenecke mitten in Paris.
Er materialisierte nur wenige Schritte von dem
Antiquitätenladen Monsieur Henris entfernt. Mitten zwischen den
Passanten, von denen ihn einer beinahe umgerannt hatte. Der Mann
entschuldigte sich noch und kriegte in der Eile nicht mit, daß
der Inder vor einer Sekunde noch gar nicht dort gestanden hatte,
sondern eben erst erschienen war…
Mahay steuerte auf den Eingang des Ladens zu.
Er sah sofort, daß sich niemand drinnen aufhielt. Nicht mal
der Geschäftsinhaber.
Er bemerkte auch, daß das Glimmerjackett und die violette
Hose noch am Haken an der Tür hingen. Es war alles noch so, wie
er es verlassen hatte. Die guten Stücke waren nicht verkauft
worden! Ein Glück!
Der Inder drückte die Tür auf. Die Glöckchen am
oberen Rand schlugen an.
»Hallo, Monsieur«, rief Rani Mahay lautstark beim
Eintreten. »Da bin ich wieder. Was sagen Sie dazu? So schnell
kann eine Situation sich verändern. -Sie wissen doch… Ich
hatte Ihnen von meinem Freund erzählt, der eine so
verrückte Party organisieren wollte. Die ganze Sache ist ins
Wasser gefallen. Er muß das Festival auf unbestimmte Zeit
verschieben. Vor einer Stunde haben sie ihn ins Krankenhaus
eingeliefert. Akute Blinddarmentzündung… Bis mein Freund
wieder
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