Macabros 104: Höllenspuk
im
gesprochen hatte. Das Bord war leer…
Monsieur Henri strich die schütteren, dünnen Haare aus
der Stirn. Hoffnung keimte in ihm auf.
Sein Blick ging zu der Stelle, wo der fremde Kunde von den
Krähen getötet worden war. Es gab keine Spuren, die auf
eine solche Situation hingewiesen hätten.
Er eilte in den Laden. Die Tür war verschlossen.
Der kleine Mann warf einen Blick durch die trübe Verglasung.
Dahinter sah er die Umrisse von Passanten, die es eilig hatten,
hörte und erkannte den vorbeiflutenden Verkehr. Auto- und
Motorradfahrer, Lkws…
Das war die Welt, die ihm vertraut war…
Er haßte zwar den Gestank der Auspuffgase und den Lärm,
den der Verkehr stets an seinem die Straßenecke einnehmenden
Geschäft verursachte… doch in diesem Moment war er froh,
ihn zu hören.
Er bewies, daß die Welt noch in Ordnung, noch
›normal‹ war…
Beinahe in Hochstimmung schloß er die Ladentür auf,
trat ins Freie und atmete tief die benzingeschwängerte Luft
ein.
Dann kehrte er ins Geschäft zurück.
Er durchquerte das Hinterzimmer. Von dort aus führte eine
Tür auf einen handtuchschmalen muffigen Korridor. Die Tür
zum Keller war nichts weiter als eine Klappe, die in den
Dielenfußboden eingelassen war.
Monsieur Henri löste den Haken, zog sie in die Höhe und
kletterte auf der Hühnerleiter in die Tiefe. Die kühle Luft
streifte sein Gesicht.
Wenig später stand er in dem Kellerraum, der von ihm als eine
Art Lagerstätte benutzt wurde. Kisten standen herum, viele
Bilder und Bücher und technisches Gerät, für das sich
bisher keine Interessenten gefunden hatten, stapelten sich in den
finsteren Ecken.
Eine nackte Glühbirne spendete schwaches, gelbliches
Licht.
Monsieur Henri begann unter einem Berg Lumpen zu wühlen.
In den Ecken raschelte und piepste es. In diesem verstaubten und
mit Spinnweben verhangenen Raum waren Mäuse und Ratten zu
Hause.
Sie hatten keine Furcht vor dem Menschen, der so unerwartet hier
unten aufgetaucht war.
Unter dem Lumpenberg, der aussah wie eine Müllhalde, hockten
ebenfalls Ratten. Um nicht von ihnen gebissen zu werden, stocherte
Monsieur Henri mit einem Besenstiel darin herum… und wurde
fündig.
Er schien zu erstarren, als er plötzlich festen Widerstand
spürte.
Der gab nach – wie ein lebloser Körper, der dort
lag…
Und der Alptraum, der Henri bereits verlassen zu haben schien,
holte ihn wieder ein.
*
Das Grauen schnürte ihm die Kehle zu, und alle organischen
Abläufe in seinem Körper schienen sich zu
beschleunigen.
Er wußte nicht, was er tat. Er tat es mechanisch wie ein
Roboter…
Er warf in Hast die alten Lumpen zur Seite und legte den in ein
Tuch eingeschlagenen Körper frei.
Wie er vermutet hatte, waren die Nager bereits in Aktion getreten.
Das Tuch war an mehreren Seiten durchlöchert, die Leiche
angefressen…
Wahrheit! Alles gräßliche Wahrheit…
Das Blut hämmerte in seinen Schläfen, seine
Handflächen waren feucht, Schweiß perlte von seiner
Stirn.
In seinem Haus war ein Mord geschehen, und Monsieur Henri deckte
diesen Mord durch sein Schweigen. Und es würde noch mehr
geschehen.
Mit dem Kostüm des Inders war etwas geschehen, von dem er
keine Ahnung hatte. Wenn der Mann zurückkam, um es wieder
abzuholen, würde etwas geschehen, über das er nicht
nachdenken wollte.
Aber er würde nicht umhin können, den Inder in eine
unheilvolle Situation zu locken… wenn die Leiche als Beweis im
Keller lag, waren die Krähen nicht weit.
Was er so gern vergessen wollte, quälte ihn weiterhin.
Das Grauen hielt ihn wieder fest wie mit eisigen Klauen…
*
Auf der Insel herrschte eine harmonische, friedliche
Atmosphäre.
Obwohl es dort seit geraumer Zeit hektischer zuging als
sonstwo.
Öfter tauchten wie Geister aus dem Nichts die Menschen auf,
die normalerweise hier lebten!
Zu ihnen gehörten Rani Mahay und Danielle de
Barteaulieé, die nach dem Verschwinden Carminia Brados und
Björn Hellmarks die Hauptlast bei den Unternehmungen trugen. Sie
wollten alles daransetzen, die Freunde, die in die Hände des
Dämonenfürsten Molochos gefallen waren, zu befreien.
Eile war geboten. Rani Mahay und seine Begleiterin gönnten
sich keine Ruhe.
Die Nervosität, die sie nur schwer unterdrücken konnten,
spürten auch die anderen. Die anderen – das waren Pepe, der
Junge aus den Urwäldern Yucatáns, den Björn Hellmark
als Adoptivsohn angenommen hatte. Das waren Jim, der Guuf, ein
Zwitterwesen zwischen Mensch und Dämon. Er sah aus
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