Macabros 109: Vontox - Der Magier aus Lemuria
Pyramide zulief.
Das untere Drittel war durchsichtig wie Glas und öffnete
sich, als Chancell noch zwei Schritte davon entfernt war.
Zwei, drei Sekunden erlebte Lorette Grande den Blick in eine
andere Welt:
Das Innere der Pyramide.
Es war wie ein Palast, lichtdurchflutete Gänge, Treppen und
Korridore… Phantastisches Farbenspiel, als würde sie
hineinsehen in einen Regenbogen.
Und in der Öffnung eine Gestalt, wie sie noch nie eine in
ihrem Leben gesehen hatte.
Ein Skelett, ein Knochenmann!
Er stand aufrecht und bewegte sich.
Um den Hals trug er einen goldfarbenen Umhang, der mit
geheimnisvollen roten Zeichen bestickt war.
Hinter dem Umhang ragten die Bögen der knöchernen
Schwingen hervor, die zwischen den Schulterblättern wuchsen.
Das Skelett lebte und nickte Chancell freundlich zu, als dieser
die Schwelle zum Innern der Pyramide überschritt.
Der Eingang schloß sich lautlos und wie durch
Zauberhand.
Die Pyramide erhob sich. Ebenfalls lautlos.
Blitzschnell stieg sie auf und hinein in den nächtlichen
Himmel. Sie wurde zu einem hellen, leuchtenden Punkt, zu einem Stern
zwischen Sternen.
Der Spuk war vorbei…
*
Harry Carsons Erregung wuchs, je näher er der Umzäunung
des Hauses kam.
Er bewegte sich so leise wie möglich und war wie ein
Schatten.
Doch den sensibleren Sinnen des Hundes entging seine
Annäherung nicht.
Pidger bewegte sich frei in dem großen Innenhof, konnte jede
Ecke und jeden Winkel erreichen.
Harry kauerte vor dem Gattertor und sah, wie der Hund als dunkler
Schatten heranjagte.
»Pidger!« wisperte er. »Hierher! Komm’ alter
Bursche…«
Der Hund hechelte, bewegte die Ohren und schien überrascht.
Er ließ ein leises Knurren hören, das sich in dem Moment
legte, als der Mann die Hand zwischen den Zaunlatten durchstreckte
und der Vierbeiner mit seiner Schnauze gegen die Fingerkuppen
stieß.
»Pidger? Erkennst du mich denn nicht?« Harry redete den
Namen des Hundes aus und vertraute Worte, die er kannte, und die
typisch für Harry Carson waren.
Im ersten Moment, als Pidger – ein mächtiger schwarzer
Schäferhund – heranjagte, sah es so aus, als wolle er
bellen.
Dann stutzte er. In seine dunklen Augen trat ein merkwürdiges
Leuchten.
»Na, alter Kerl? Man hört’s förmlich in deinem
Hirn klicken. Da staunst du, was? Der Ausreißer ist wieder da.
Ja, ich bin’s, Harry… Hat’s jetzt gefunkt?«
Er kraulte ihn. Pidger begann zu wedeln und gab ein lautes Jaulen
von sich.
»Sei ruhig, alter Bursche! Du sollst niemand herbeilocken. Es
darf kein Mensch wissen, daß ich hier bin. Im Haus werden die
verrückt, wenn die mich so sehen. Ich muß erst ein
bißchen vorführen, verstehst du? Fein, daß du mich
wieder erkannt hast. Ich hab’ noch den alten Geruch an mir, wie?
Trotz Reise in einem UFO, trotz Xantilon und einiger anderer
merkwürdiger Sachen. Aber damit kann dein Hundehirn wenig
anfangen. Versteh ich selbst als Mensch kaum…«
Pidger leckte ihm die Hand und war völlig aus dem
Häuschen. Er löste sich von ihm, drehte mehrmals eine Runde
im Hof und kam dann wieder auf ihn zu.
Harry kletterte in der Zwischenzeit behend über das Tor.
Pidger trottete neben ihm her, wedelte noch immer mit dem Schwanz
und hechelte. Seine rote Zunge hing weit aus dem Maul, und seine
Augen glänzten.
»Und jetzt läßt du mich allein, Pidger… ab in
die Hütte! Begib’ dich auf Matratzenhorchdienst und
rühr’ dich nur, wenn sich einer am Zaun zu schaffen macht,
der nicht das Recht dazu hat… Kapiert? Na also… lauf los,
alter Bursche… und keinen Laut. Ich will mich in Ruhe ein wenig
umsehen. Es hat sich nicht viel verändert hier.«
Er sprach immer noch leise, sehr gedämpft, und es kam ihm
vor, als sei er überhaupt nicht weggewesen. Hier war alles beim
alten geblieben.
Die Wagen standen noch an der gleichen Stelle, der alte, rostige
Traktor war noch immer neben dem viel zu kleinen Geräteschuppen
abgestellt. Die Maschine war mal dunkelrot gewesen. Reste der
Originalfarbe klebten noch am Metall. Mit diesem Traktor hatte er
schon als kleiner Junge gespielt. Solange er zurückdenken
konnte, stand er schon hier auf dem Hof. Er war ein Stück
Inventar, alt geworden mit ihnen.
Ein Gefühl von Nostalgie kam in ihm auf.
Er war zu Hause. Und er fing auf einmal an, sich auch zu Hause zu
fühlen.
Die vertraute Umgebung, der Geruch, der in der Luft lag… das
alles erfüllte ihn mit wildem Glücksgefühl. Er
hätte am liebsten jubeln und seine Freude und sein
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