Macabros 110: Kampf in der Alptraumstadt
was du dir
vorgenommen hast. Besiege deinen Todfeind, befreie Carminia aus
seinen Krallen – und kümmere dich dann um mich. Dann ist
immer noch Zeit – vorausgesetzt, daß Molochos dich so
lange gewähren läßt. Ich wünsche es dir von
ganzem Herzen, du bist mein Freund. Aber ich habe kein gutes
Gefühl. Nicht in dieser Stadt, nicht in diesem Milieu. Diese
Stadt ist Molochos’ Eigentum. Nicht mehr der Geist Apokalyptas
herrscht hier, sondern der seine. Molochos ist der Herr dieser Welt,
und er ist damit überall, eine Art Gott, ein Gott des Bösen
und der Finsternis, dem nichts entgeht, der hier durch verschlossene
Wände sieht…«
»Du machst mir Angst, Arson«, murmelte Björn.
»Ich sage, was ich denke, wie ich glaube, es zu wissen.
Vielleicht tut er in diesen Minuten genau dasselbe wie vor kurzem mit
mir. Er wiegte mich in Sicherheit und ließ die Falle dann
zuschnappen. Vielleicht weiß er in diesen Minuten genau, was
hier vorgeht, was wir besprechen. Die Wände in diesen Zellen
– sind anders als die Wände irdischer
Gefängnisse…«
»Ich glaube das nicht«, sagte Hellmark.
»Und warum nicht?« höhnte da eine kalte,
unpersönliche und überhebliche Stimme. »Es ist, wie er
sagt. Die Welt, die mir gehört, gehört mir ganz. Ich bin
immer und überall. So wahr man mich Molochos
nennt…«
Die Stimme des Dämonenfürsten kam aus einem der
steinernen Gesichter, und es lief Björn Hellmark eiskalt
über den Rücken.
*
Ungesehen verließen sie das Haus des toten Don Shapiro.
Der Wagen des Schützen stand zwei Straßen weiter
vorn.
Während der Fahrt zur Wohnung Joe Merlings fiel kaum ein Wort
zwischen ihnen.
Merling lebte in einem alten kleinen Haus am Ende einer dunklen
Straße. Ihm gegenüber lag eine Halle, in der ein
Schausteller Teile einer Schiffschaukel und eines Karussells
untergebracht hatte.
»Ich bin gleich wieder zurück. Ich hole nur Spaten und
Schippe…«
Macabros wartete im Wagen und blickte dem großen Mann nach,
wie er auf dem dunklen Weg zum Haus hin verschwand. In der Nacht
knarrte eine Holztür. Joe Merling blieb nicht lange. Es kam ihm
offensichtlich darauf an, so schnell wie möglich den Beweis
für seine ungeheuerliche These anzutreten.
Er verstaute die Geräte im Kofferraum. Den Deckel konnte er
nicht mehr ganz schließen, weil die langen Stiele
herausragten.
Als Merling sich wieder hinters Steuer klemmte, warf er Macabros
ein Fotoalbum in den Schoß.
»Sie können’s ja nicht wissen… in dem Album
sind ’ne Menge Bilder von Don und mir… Bilder, die unsere
Freundschaft beweisen. Werfen Sie mal einen Blick darauf.
Natürlich kann sich im Leben das Verhältnis auch sehr
befreundeter Personen mal ändern. Das geht dann nicht aus Fotos
hervor. Bevor Sie jedoch diesen Verdacht äußern, werden
wir auf dem Friedhof sein, und ich kann Ihnen das Grab zeigen, in dem
Don liegt – ohne daß außer mir ein Mensch davon eine
Ahnung hat…«
Er schaltete die Innenbeleuchtung ein, damit Macabros die Fotos
betrachten konnte, und fuhr dann los.
Macabros sah sich einige Bilder sehr genau an.
Don Shapiro war auf vielen deutlich zu erkennen, und zwischen dem
Mann auf den Fotos und dem Erschossenen im Bett bestand im
äußeren Erscheinungsbild kein Unterschied.
Die Fahrt zum Friedhof dauerte weniger als zehn Minuten.
Joe Merling parkte sein Auto unter der weitreichenden Krone einer
Weide, die voluminös über die Friedhofsmauer wuchs. Im
Schatten des Baumes und der Nacht war der Wagen kaum wahrnehmbar.
Unweit des Parkplatzes gab es eine Stelle, von wo aus man die
Mauer bequem überklettern konnte. Merling warf zuerst die
Arbeitsgeräte darüber hinweg und stieg dann behend auf dem
klobigen Mauerwerk auf die andere Seite. Macabros folgte.
Der Südfriedhof lag an der Peripherie. Hinter der Nordmauer
lag eine Schweine-Mästerei und dahinter wieder freies Feld.
»Der unangenehme Geruch«, fühlte Merling sich
veranlaßt zu sagen, »kommt weder von den Toten noch vom
Krematorium. Der stammt von der Mästerei. Wenn der Wind
besonders ungünstig weht, dann stinkt’s in der ganzen
Stadt…«
Macabros brummelte nur etwas in den Bart.
Joe Merling schien es nichts auszumachen, in dieser Stunde nach
Mitternacht zwischen den einsamen Grabsteinen entlangzugehen.
Die Ruhestätte jenes Mannes namens Jim Brown lag ziemlich am
Ende der Mauer. Hier wurden jene Verstorbenen beigesetzt, die
entweder keine Angehörigen mehr hatten und für deren
Bestattungskosten die Stadt aufkommen
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