Macabros 119: Flieh, wenn der Schattenmann kommt
Kampfes gegen die Mächte der Finsternis erbeutet
hatte.
Es waren Augen des Schwarzen Manja, faustgroße, rubinrote
Steine, die den Dämonen beispielsweise das Leben schwer machten.
Oder der Trank der Siaris, eine Flüssigkeit, die kostbar und
einmalig war. Von besonderer Wirksamkeit hatte sich die
Dämonenmaske erwiesen, die Björn Hellmark stets bei sich
trug und gerade bei ihm besondere Wirkung zeigte.
Er hatte sie seinerzeit entdeckt und erobert.
Sie sah aus wie ein abgeschnittener Damenstrumpf, braun und
unansehnlich. Aber in dem Moment, wo er sie überstülpte,
veränderte sie ihr und vor allem sein Aussehen. Sie wurde zu
einem Totenkopf, zu einem knöchernen Schädel, in dessen
dunklen leeren Augenhöhlen ein gespenstisch grüner Funke
glomm.
Er sah erschreckend und makaber aus, und wenn er sich mit diesem
Aussehen verdoppelte und seinen Zweitkörper unter dem Eindruck
der Dämonenmaske auf Reisen schickte, dann war er wirklich
»Macabros«, der Mann, der sich an zwei Orten gleichzeitig
aufhalten konnte und den Dämonen das Fürchten lehrte.
Denn er hatte längst herausgefunden, daß nur
menschliche Augen in der Maske einen Totenschädel sahen. Ein
Dämon erblickte darin etwas anderes, etwas, das ihm so zu
schaffen machte, daß er sich auflöste und unter Heulen und
Zähneknirschen diese Welt verließ. Unter dem Anblick der
Dämonenmaske gab er seinen Geist auf.
»Was ist denn nun mit Carminia und Whiss?« wollte
Blobb-Blobb wissen, der merkte, wie es hinter Hellmarks Stirn
arbeitete.
»Wenn ich das wüßte, Kleiner, wäre mir
wohler«, entgegnete Björn. »Ich werde sie suchen
müssen.«
»Ich beteilige mich an der Suche.«
»Kommt nicht in Frage«, schüttelte der Herr von
Marlos den Kopf, »du bleibst hier und paßt auf die Insel
auf.«
Den weiteren Protest des Winzlings wartete Björn erst gar
nicht ab.
Wieder ließ er seinen Doppelkörper entstehen und
versetzte sich mit ihm im nächsten Moment zurück an die
Stelle hinter die Vitrine auf dem Broadway in New York, wo vor
einigen Minuten seine Reise begonnen hatte.
Schnell wie seine Gedanken erfolgte der Übergang. Es verging
der Bruchteil einer Sekunde – und er brachte Tausende von Meilen
hinter sich, die die Zone zwischen Hawaii und den Galapagos-Inseln
von der lebenserfüllten, geschäftigen Straße im
Herzen New Yorks trennten.
Hellmark und sein Doppelkörper materialisierten.
Von der Helligkeit Marlos’ geriet er in die künstlich
beleuchtete Nacht New Yorks. Auf Marlos ging die Sonne nie unter. Man
kannte auf der Insel die Nacht nicht mehr, die das Metier der Geister
und Dämonen war. In der Dunkelheit fühlten sie sich wohl,
auch in einer Dunkelheit, die vom Licht elektrischer Lampen
erleuchtet wurde.
Die Vitrine mit den Schaufensterpuppen, den Schals, Taschen und
modischen Accessoires schälte sich wieder aus seinem Blickfeld
– dazu die Körper eines Mannes und einer Frau, die die
Auslagen begutachteten.
Hellmark tauchte praktisch in Tuchfühlung mit ihnen auf und
ließ durch einen Gedankenimpuls seinen Zweitkörper sofort
dematerialisieren. Die fremde Frau stieß ihn an, zuckte
zusammen und entschuldigte sich. Sie war ein wenig perplex, daß
an der Stelle, wo sich eben noch niemand befand, plötzlich wie
aus dem Boden gewachsen ein großer blonder Mann vor ihr
stand.
»Pardon«, sagte sie.
»Schon gut, Madam«, lächelte Hellmark und ging
weiter.
Rani und Danielle mußten in der Nähe sein.
In der Passage hielten sie sich nicht auf.
Dann wahrscheinlich draußen vor den Schaufensterreihen.
Hellmark ging auf den Bürgersteig und blickte links und
rechts die Straße entlang.
Nichts!
Keine Spur von den Freunden!
Sie waren wie vom Erdboden verschluckt…
*
Das Haus an der Peripherie New Yorks war schon siebzig Jahre alt.
Erbaut worden war es von einem Holländer, der durch den Verkauf
von Tabak und Mais reich geworden war und sich später ein
riesiges Anwesen und eine Farm im sonnigen Kalifornien kaufte.
Das Haus in New York diente eine Zeitlang zweckentfremdet als
Lager- und Umschlagplatz für allerlei Waren, die später im
Hafen verschifft wurden. Es verkam immer mehr, weil niemand sich
darum kümmerte. So verlor es an Wert und wurde eines Tages, als
der Besitz des kinderlosen Holländers aufgelöst wurde,
versteigert.
Mrs. Kellings Vater, der beim Pferderennen einige tausend Dollar
gewonnen hatte, erwarb das heruntergekommene Haus, legte Hand an und
machte ein wahres Schmuckstück daraus. Als das Haus
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