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Macabros 119: Flieh, wenn der Schattenmann kommt

Macabros 119: Flieh, wenn der Schattenmann kommt

Titel: Macabros 119: Flieh, wenn der Schattenmann kommt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Shocker
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seinen. Vielleicht
waren sie beide aus einem besonderen, ihnen unerfindlichen Grund
aneinandergekettet. In Märchen aller Kulturvölker kamen
immer wieder Verwandlungen durch Zauberinnen und Hexen vor, die
selbst einen schrecklichen Weg zur Befreiung zu gehen hatten, ohne
über ihr wirkliches Schicksal zu sprechen, weil sie sonst
endgültig verloren waren und es überhaupt keine Rettung
mehr für sie gab.
    Shawn, der Rabe, ließ die Schwimmerin nicht mehr aus den
Augen.
    Sie war nur noch zwei Meter vom äußeren Rand der
überdimensionalen weißen Mondscheibe entfernt, die sich
wie ein Zauberkreis im Wasser spiegelte. Die unnatürliche
Größe, die der Mond dort zeigte, war ein weiteres
untrügliches Indiz dafür, daß hier auf dieser
unheimlichen Insel überhaupt nichts mit rechten Dingen zuging.
Selbst die Natur war einbezogen in die unheilige Atmosphäre, die
alles auf diesem Eiland beherrschte.
    Da durchstieß Caliko den Lichtrand, schwamm in die Mitte des
sich abzeichnenden Riesenmondes und tauchte dann unter.
    Eine Viertelminute verging, eine halbe, eine ganze…
    Shawn wurde schon unruhig, wankte von einem Bein auf das andere
und fühlte den Drang, sich vom Ast zu lösen und
hineinzufliegen in das große, leuchtende Rund auf dem
Wasser.
    Aber die Vernunft siegte.
    Er mußte vorsichtig sein. Bisher gab es nur Vermutungen,
keinen einzigen Beweis hatte er für seine Thesen.
    Zwei Minuten vergingen.
    Er spürte den Druck auf seinem Herzen.
    Kein Mensch konnte so lange unter Wasser bleiben!
    Aber vielleicht war bei Caliko, die über Zauberkräfte
verfügte, alles anders.
    Drei Minuten…
    Klar und still lag das Wasser im Innern des Kreises.
    Shawns Unruhe wuchs.
    Noch eine Minute wollte er warten, dann vorsichtig und leise
hinüberschweben, um…
    Da sprudelte und zischte das Wasser im Mittelpunkt des
Lichtkreises in die Höhe, als ob ein gewaltiger unterirdischer
Geysir ausbräche.
    Das Wasser rauschte und schwoll. Nach der lang andauernden Stille
war es ein geradezu nervenzerfetzendes Geräusch.
    Das schäumende Wasser spritzte nach allen Seiten davon, dann
stieg eine Gestalt aus der Tiefe, prustend und schnaubend wie ein
Walroß.
    Caliko?
    Es war eine Frau – aber wie hatte sie sich
verändert!
    Shawn fiel vor Schreck fast von seinem Beobachtungsplatz.
     
    *
     
    Ihr Haar war grün und strähnig und hing wie ein zottiger
Pelz auf ihrem Kopf.
    Die Arme waren braungrün, dick und unförmig. Sie
glänzten speckig wie die Haut eines Wals. Die Finger waren
gespreizt und hatten keine Ähnlichkeit mehr mit menschlichen
Fingern, denn zwischen ihnen wuchsen faltige Schwimmhäute.
    Caliko grunzte und schmatzte wie ein Schwein, das sich im Schlamm
suhlte.
    Sie tobte ausgelassen im Wasser herum und verließ dabei
nicht den Lichtkreis, den sie vorher aufgesucht hatte.
    Ihre Gestalt war plump, und über ihr monsterhaft aussehendes
Gesicht lief das Wasser. Sie Sprang hoch aus dem schäumenden,
spritzenden Naß – und von der braungrünen Hüfte
abwärts lief der Leib aus in einen dicken Fischschwanz.
    Caliko war ein Mischwesen zwischen Walroß und Nixe.
    Ihre menschliche Gestalt – war Schein!
    Alle Gedanken, die er über sie angestellt hatte, waren
grundverkehrt.
    Shawn, der Rabe, klammerte sich zitternd an den Ast, auf dem er
saß.
    Wie auf einem Tablett konnte er alles überblicken.
    Er war möglicherweise der erste Zeuge, der Caliko so sah, wie
sie wirklich war. Vielleicht hatte es vor ihm auch schon andere
gegeben, die nicht so geschickt vorgegangen waren wie er und die
Caliko in einen Stein verwandelte.
    Caliko gehörte zu den Monstern aus der Tiefe und der
Schatten. Die Gestalten, die »Freunde«, die sie von Fall zu
Fall empfing, waren ihresgleichen. Sie aber hatte -Menschengestalt
angenommen.
    In das Grunzen und Schnauben mischten sich weitere unheimliche
Laute, die nichts Menschliches an sich hatten, die sich so schlimm
anhörten, daß sie ihm körperliches Unbehagen
bereiteten.
    Doch es waren nicht nur Laute. Es waren auch Worte darunter.
    Eine verzerrte menschliche Stimme brach aus der Kehle des
Wassermonsters.
    »Rha-Ta-N’my! Göttin des Grauens, Mutter’
meines Daseins… ich danke dir für alles, was du mir gegeben
hast. Du hast mich aus dem Nichts erhoben und mich gleichgestellt mit
den Göttern… mit deiner Kraft bin ich den Göttern
dieses Landes ebenbürtig, kann mit einer Handbewegung den Blitz
schleudern und den Mensch in ein Tier verwandeln. Ich verspreche dir,
mich deiner Geschenke als würdig zu

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